Hankelmusik: Verstrahlte Teemusik

Eigentlich wollen sie ja nur spielen. Ihre Musik, neue Musik, die ihnen auf den Leib geschrieben wurde. Hankelmusik eben. So nennt sich das Sextett aus Dresden, das im Rahmen des Beethovenfests in die Post Tower Lounge eingeladen worden ist und die dort ihren Klangkosmos öffnen. Atmosphärisch wirkt er, szenisch, mitunter lyrisch – und doch letztlich überschaubar. Denn auch wenn das Ensemble aus exzellenten Musikern besteht, die punktuell ein ums andere Mal für Überraschungen sorgen und die Stücke vorübergehend aufblühen lassen, fehlt es doch an größeren Spannungsbögen, komplexeren Bildern und kompositorischer Relevanz.

Das Sextett sagt von sich selbst, großen Wert auf die Vorlieben der einzelnen Mitglieder zu legen und daher unter anderem Klassik, Jazz, Alte Musik, Irish Folk und Dubstep zu integrieren. Doch liegt in dieser Offenheit auch das Risiko der Beliebigkeit, zumal manche Komponisten der ungewöhnlichen Formation aus Flöte, Harfe, Piano, Geige, Cello und Kontrabass Material zur Verfügung stellen, dass eher befremdlich denn erfreulich wirkt. So schrieb der Jazzpianist Marius Moritz mit „Massiv und Schlüsselfertig“ ein Werk, in dem Harfenistin Anna Berwanger (immerhin Stipendiatin der Live-Music-Now-Stiftung von Yehudi Menuhin) permanent in verquere Dissonanzen getrieben wird, während die Streicher im Hintergrund weitgehend einfallslos dahinplätschern und sich im Kreislauf der immer gleichen Harmonien verlieren. Derweil erweist sich etwa Felix Klingners „Ein ungeschriebenes Buch“ als unnötig fragmentarisch, strotzt vor Generalpausen und kann somit gar nicht die dringend benötigte Dynamik entwickeln, um sich als mehr zu erweisen denn als zu vernachlässigendes Geplänkel. Wie es anders gehen kann, zeigt dagegen nicht nur „Wirklichkeit in kleinen Dosen“ von Ensemlbe-Gründer Keno Hankel, sondern auch die Uraufführung von Thomas Zollers „Auf der Spieluhr ist es fünf nach zwölf“, die das klar benannte Ziel verfolgt, Szenen nach dem Super-GAU augenzwinkernd zu skizzieren. Zwar kommt die Katastrophe ein wenig zu kurz, die restlichen Spielereien wie etwa eine Teemusik in verstrahlter Atmosphäre lassen aber zumindest Assoziationen entstehen, mit denen sich das Publikum auseinandersetzen kann, wenn es denn will. Wohlwollender Applaus für ein junges Ensemble, das noch viel vor hat, aber erst noch ein bisschen experimentieren sollte.

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