„Appartement“: Chaos-WG im Liebesrausch

In diesem Haus ist nichts normal: Die adeligen Vermieter sind nicht nur pleite, sondern frönen auch einigen überaus skurrilen Hobbys, die ungleichen Zwillinge aus dem Hinterzimmer machen der attraktiven neuen Mitbewohnerin und dem Mädchen aus dem Bücherspeicher schöne Augen, kriegen aber ebenso wenig den Mund auf wie der schwedische Austausch-Student mit der leicht asozialen Ader, und der Butler jongliert mit Pömpeln, wenn er gerade nichts besseres zu tun hat. Keine Frage, die neue Show „Appartement“ im Bonner Varieté GOP kommt ziemlich schräg daher. Doch dank brillanter Clownerie, einem bemerkenswerten Ensemble-Spiel und einer durchgehenden Handlung erweist sie sich zugleich als ungeheuer unterhaltsam.

Im Gegensatz zu manchen anderen Programmen besteht „Appartement“ nicht aus einer bloßen Aneinanderreihung von Solo-Nummern, sondern vielmehr aus ständigen Interaktionen der Artisten, die natürlich ab und an mal alleine im Rampenlicht stehen, dann aber wieder mit den anderen Ensemble-Mitgliedern spielen. Dabei entstehen etwa Jonglage-Nummern, die der Ausgussreiniger-Kunst eines David Louch durchaus das Wasser reichen können, oder auch eine herrliche Akrobatik, um Wuschelkopf Anne-Marie Poirier an der Abreise zu hindern. Letzteres wäre auch zu schade gewesen, sorgte die Kanadierin zusammen mit ihrem Ehemann Jason Fergusson doch am Vertikalseil für einen der Höhepunkte des Abends. Die Dynamik dieser Artistik gepaart mit Elementen aus der hohen Trapezkunst erwies sich als wahrlich atemberaubend.

Letztlich könnte man jetzt alle Künstler einzeln aufzählen, etwa Hula-Hoop-Diva und Meister-Kontorsionistin Vita Radionova, die mit ihren sinnlichen Verrenkungen allen Männern den Kopf verdreht, oder den jungen Cyr-Artisten Thibault Theyssens mit seiner poetischen, wenn auch am Ende ein wenig zu geräuschvollen Nummer – doch eigentlich sind sie als Kollektiv am stärksten. Zwingend muss jedoch Philippe Trépanier erwähnt werden, der (so wie auch Fergusson und sein Kollege Coen Clarke) bereits in „Karussell“ die Zügel in der Hand hatte und mit seinen „professionellen“ Auftritten einen Lachanfall nach dem nächsten zu verschulden hat. Der 39-Jährige darf einfach alles, selbst die Gläser des Publikums leeren oder seine Partnerin Tamara Bousquet via Blasrohr mit Dartpfeilen beschießen. Gleichzeitig ist Trépanier ein herausragender Diabolo-Virtuose, der den Doppelkegel immer wieder auf beeindruckende Weise um seinen Körper kreisen lässt.

Insgesamt zählt „Appartement“ zu den ausgereiftesten GOP-Shows, die bislang in Bonn zu sehen waren. Gut, es mag sein, dass andere mit einem größeren Wow-Effekt aufwarten konnten, mit mehr Effekten, mehr Glamour und mehr spektakulären Aktionen – doch der Charme eines Ensemble, dessen Mitglieder miteinander statt nebeneinander spielen, macht „Appartement“ ohne Zweifel zu etwas Besonderem. Hingehen lohnt sich also. Und wer weiß, vielleicht ist in dieser verrückten WG ja noch ein Zimmer frei.

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