Wooden Elephant: Post-Rock für Streicher

Drei unterschiedliche Medien, ein einstimmiges Urteil: „Kid A“ von Radiohead wurde 2009 sowohl von dem amerikanischen Musikmagazin „Rolling Stone“ als auch von der einflussreichen Musik-Webseite „Pitchfork“ und der britischen Tageszeitung „The Times“ zum besten Album der 2000er Jahre gewählt, und das, obwohl Kritiker bei der Veröffentlichung noch durchaus geteilter Meinung waren. Die elektronischen Klänge der Synthesizer und Drum-Computer, die verzerrten Streicher- und Bläsersätze und das allgemeine organisierte Chaos verstörte nicht wenige Fans, die sich einst zu dem gitarrenlastigen Rock der Formation um Mastermind Thom Yorke hingezogen fühlten – andererseits war das Ergebnis schlichtweg revolutionär.

Nun hat das Streichquintett Wooden Elephant das komplette Album neu interpretiert und im Rahmen des Beethovenfests in der Fabrik 45 aufgeführt. Ein anspruchsvolles, komplexes und überaus faszinierendes Projekt, das wie einst das Original einige Hörgewohnheiten über den Haufen warf und dem Publikum einiges abverlangte. Gekoppelt an einige stimmungsvolle, mitunter aber auch schlichte elektro-akustische Kompositionen des Wahlberliners Kaan Bulak im ersten Teil des Konzerts entstand so ein ungewöhnlicher, aber letztlich begeisternder Abend, der Klassik und Moderne geschickt zusammenführte.

 

Zugegeben, Elektronika auf akustischen Instrumenten ist derzeit im Trend, ob man nun in Richtung des Brandt-Brauer-Frick-Ensembles blickt, das 2014 beim Beethovenfest spielte, oder zur Hamburger Marschkapelle Meute, die Trance- und Techno-Tracks mit ganz viel Blech umsetzt. Ganze Alben auf diese Weise zu interpretieren ist dabei allerdings eine besondere Herausforderung, zumal wenn es sich um um stilbildende Kult-Werke handelt. Andererseits haben Wooden Elephant schon 2017 gezeigt, dass sie sich vor dieser Aufgabe nicht scheuen müssen – damals nahmen sie sich für das Podium-Festival Esslingen Björks „Homogenic“ vor und elektrisierten ihre Zuhörerschaft. Mit „Kid A“ geht das Sextett um Bratschist Ian Anderson den eingeschlagenen Weg nun konsequent weiter und verbeugt sich damit sowohl vor Yorkes Erfindungsgeist als auch vor der Experimentierleidenschaft von Gitarrist Johnny Greenwood, auf den der Einsatz von ungestimmten Saiten oder von Pacay-Baum-Rasseln zurückgeht. Dazu kommen Milchaufschäumer, Badewannenstöpselketten, Geburtstagströten und andere Objekte, die auf ihre Weise den Klangkosmos von Radiohead abzubilden helfen. Nicht immer ist die Mischung zielführend, vor allem da das Volumen und die Fülle des Originals fehlen, doch ist es stets bewundernswert, wie Wooden Elephant ihre Instrumente bis an ihre Grenzen und darüber hinaus führen. Zumindest in diesem Punkt ist die Adaption von Radiohead zu hundert Prozent gelungen.

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