Simon & Jan: Klassenfahrt mit Sofa-Band

Der Abend erinnert an eine Wundertüte: Seit nunmehr vier Jahren gehen Simon & Jan, ihres Zeichens tiefenentspanntes Liedermacher-Duo mit zielgenauen Texten, regelmäßig mit ihren Lieblingen auf Tour, mit Kollegen also, die ihre Herzen im Sturm erobert und sich in selbigen dauerhaft eingenistet haben, und doch ist den beiden grundsätzlich nicht klar, was sie erwartet. Party? Ja, vielleicht. „Diese kleine Reihe hat inzwischen schon was von einer Klassenfahrt“, meint Jan im Pantheon – aber wenn, dann von einer sehr gemächlichen.

Einer, in der ein bisschen Weltschmerz, ein bisschen Anarchie, eine gute Portion Gesellschaftskritik und ein ordentlicher Schuss Dada einen exzessiven Cocktail bilden, den die Teilnehmer in vollen Zügen auskosten und sich dabei von nichts und niemandem hetzen lassen. Schon gar nicht Premium-Schnarchnase Jan, der die Texte immer wie Kaugummi zieht und hinter der Langsamkeit einen überaus scharfen Witz versteckt, während sein Freund Simon dank seiner ausgeprägten Gemütlichkeit in aller Ruhe darauf wartet, endlich spielen zu können. Oder zuhören zu dürfen. Hauptsache, es kommt Musik. Und weniger Gelaber.

 

Ohnehin ist es meistens besser, wenn die Gitarren oder auch mal das Keyboard sprechen dürfen. Oder das Publikum, das sich schon zu Beginn des Konzerts, dank einer entsprechenden Aufforderung von Simon & Jan, eine klare Meinung zum Konzert gebildet hat. „Leider geil“ singt es, während die beiden Prix-Pantheon-Preisträger 2014 dieses Deichkind-Cover derart entschleunigen, dass selbst ein völlig bekiffter Ur-Hippie den Kehrvers zum richtigen Zeitpunkt in den Saal rufen könnte. Zu diesem Zeitpunkt haben Simon & Jan ihre brillante Dancefloor-Parodie „Leck mich“ noch gar nicht gespielt, auf die das Lob ohne Einschränkung und ohne ein Wort des Bedauerns angewendet werden könnte. Aber „Leider geil“ steht nun einmal schon früher im Raum – und so soll der Abend sich dann auch entwickeln.

Immerhin haben Simon & Jan nicht nur ihre Sofaband um den Klavierkabarettisten Andi Rüttger sowie ihren „Klassenkameraden“ Jakob Heymann eingeladen, der sich mitunter ein wenig zu weit aus dem Fenster lehnt, sondern mit Danny Dziuk und Götz Widmann auch zwei erfahrene Lehrer. Während Heymann mitunter den Eindruck macht, als könne er sich nicht entscheiden, ob er Hannes Wader oder Rainald Grebe als Vorbild wählen solle, mal überaus tiefsinnig klingt und im nächsten Moment wieder herumkaspert, zeigen die beiden Veteranen eine klare Linie. Politisch relevant, poetisch vielleicht mitunter etwas schlicht, aber immer unbeirrt in ihrem Tun. Andererseits ist es gerade Heymann, der mit einer einfachen Melodie zum Pfeifen und Summen gleich zweimal für ekstatische Begeisterung im Publikum sorgt, während etwa Dziuk, der sonst für Künstler wie Stoppok, Wiglaf Droste, Axel Prahl und Annett Louisan Stücke schreibt, fast ein bisschen zu glatt klingt und mit Songs wie „Ja, man darf“ trotz starker Haltung irgendwie nicht an Herz und Seele andocken kann. Derweil wird Liedermaching-Papst Götz Widmann einmal mehr dafür bejubelt, dass er wie schon seit 15 Jahren eine Zaubersteuer und die Legalisierung von Marihuana fordert und die ein oder andere esoterische Zeile in Dauerschleifen singt. Dank Simon & Jan, die immer wieder ihre „Lieblinge“ unterstützen, erhalten derartige Nummern aber doch eine erfreuliche Auffrischung. Am Ende wird das Publikum somit bei dem anfänglichen Votum bleiben. „Leider geil“. Die nächste Klassenfahrt ist damit garantiert.

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