Schlaff ist er geworden, der Schwarze Stecher. Schlaff und ein bisschen dicklich. Das Batman-Kostüm passt nicht mehr so richtig und zieht auch niemanden mehr an, schon gar nicht den jungen, muskulösen Tiger auf der Karnevalsparty. Irgendwie fühlt Paul sich deswegen alt. Und ungeliebt. Vor allem aber nicht mehr begehrenswert. Und das mit 48. Ist doch noch kein Alter für einen virilen Homosexuellen wie ihn. Zumal der Kopf ja noch willig ist. Nur das Fleisch ist schwach. Der Grund liegt im Fluch der Andropause verborgen, den so genannten Wechseljahren des Mannes, die Paul zusetzen und die er in Ralf Königs aktuellem Buch „Herbst in der Hose“ zunächst verleugnet. Bis er sich schließlich seinen Dämonen stellen muss. Ob er will oder nicht.
Mit „Herbst in der Hose“ hat Kult-Comicautor Ralf König eine Art Alterswerk vorgelegt. Nicht seins, hoffentlich, wohl aber das seiner beiden populären Figuren Paul und Konrad, deren
Alltagsgeschichten er seit 1989 erzählt: Auf der einen Seite der intellektuelle Stubenhocker, auf der anderen die hedonistische Ledersau, beide irgendwie klischeebeladen und doch auch
authentisch. Nicht ohne Grund haben die Graphic Novels über das schwule Pärchen eine ganze Generation von Homosexuellen geprägt, haben beim Coming-Out geholfen und zu einem ganz besonderen
Selbstbewusstsein beigetragen. Da ist es nur konsequent, dass der Bonner Verein r(h)einqueer König im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe „Beethovens Bunte“ zu einem Benefiz-Abend eingeladen hat.
Das Haus der Springmaus hat sich dafür extra frühzeitig aus der Sommerpause zurückgemeldet und bietet König für seine fantastische Lesung eine Bühne, die dieser nur zu gut zu nutzen weiß.
Genüsslich präsentiert König Auszüge aus seinem Werk, nutzt einen Beamer zur Projektion der Comic-Strips und liest dazu mit einem ganzen Orchester an Stimmen die herrlich überzeichneten, aber
doch auch mitunter ernst gemeinten Dialoge, die längst nicht so zotig wie früher sind, ihre Ursprünge aber auch nicht verleugnen können. Vom knurrigen „Bockwurst“ bis hin zu Pauls hysterischer
Schwester Edeltraut sind alle Figuren dabei, jeder mit eigenen Problemen des Älterwerdens. Und mittendrin eben Paul, seines Zeichens Hypochonder und Lustmolch in Personalunion. Einer, der sich
über seine sexuellen Abenteuer definierte und auf einmal feststellen muss, dass die Zeit ihre Spuren an ihm und seinen Freunden hinterlassen hat. Vor allem an letzteren: Die einst wilde Bande ist
zahm geworden, monogam und altersmilde, mehr mit den Rückenproblemen als mit innovativen Sexualpraktiken beschäftigt. Da kann Paul doch nur verzweifeln und sich wie in einer antiken Tragödie
fühlen, inklusive maskiertem Chor. Die Andropause stürzt ihn in eine ausgewachsene Midlife-Crisis, die von Karneval bis Weihnachten anhält und ihn von einer Depression in die nächste Katastrophe
stürzen lässt. Vor allem für das Publikum ist dies dabei dank der tiefsinnigen und bewegenden Geschichten ein großartiger Spaß. Und manche Bilder sprechen auch einfach für sich. So vergeht ein
überaus unterhaltsamer Abend wie im Flug. Am Ende dann immerhin eine Erkenntnis: Die Andropause ist längst nicht so schlimm wie gedacht. Vor allem wenn man eine Beziehung führt wie Konrad und
Paul, die sich selbst im tiefsten Tal aufeinander verlassen können. Dann wird nämlich letztlich alles gut.
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