Die Leidenschaft ist noch immer ungebremst. Alanis Morissette ist vielleicht nicht mehr so wütend wie noch vor mehr als 20 Jahren, als sie mit ihrem Album „Jagged Little Pill“ ihren Protest in die Welt geschrien hat und damit zu einer wichtigen Stimme einer ganzen Generation wurde, aber ihre Songs kann sie immer noch mit dem gleichen Nachdruck singen wie damals in den 90ern. Auf dem Bonner KunstRasen sprüht die Kanadierin nur so vor Energie, ist ständig in Bewegung, wandert fröhlich von einem Ende der Bühne zum anderen und lässt ihre großen Hits dabei so unverbraucht klingen, dass viele Fans kurzfristig an eine Zeitreise glauben. Gut, die einst lange Mähne ist einer kecken Kurzhaarfrisur gewichen, aber stimmlich ist Alanis Morissette noch immer jener Wildfang mit dem einzigartigen, kraftvollen Organ. Und „Ironic“ funktioniert als augenzwinkernde Hymne an Murphys Gesetz noch immer hervorragend und wird vom Publikum ebenso begeistert mitgesungen wie „Hand In My Pocket“ oder „You Oughta Know“.
Eigentlich ist also alles in bester Ordnung. Na ja, bis auf die Tontechnik, die mitunter den Gesang ein wenig zu sehr herunterpegelt und auch der exzellenten Band nicht immer die Dynamik bietet, die sie eigentlich verdient hätte. Ohnehin beschweren sich einige Fans mehrfach über eine in ihren Ohren zu geringe Lautstärke, was aber einfach den Auflagen durch die Stadt geschuldet ist. Die Grenzwerte müssen eben eingehalten werden, da haben weder der Veranstalter noch die Techniker eine Wahl. Auch wenn es in diesem Fall ruhig etwas mehr hätte sein dürfen. Egal: Der Funke springt auch so über, nicht zuletzt weil Alanis Morissette sämtliche Klassiker spielt und dafür auf Material von den späteren Platten wie „Havoc And Bright Lights“ oder „Suposed Former Infatuation Junkie“ weitgehend verzichtet. Diese Alben haben ohnehin kommerziell nie an den Erfolg des Debüts anknüpfen können, auch wenn sie durchaus spannende Stücke enthielten. Die kommen aber nur sporadisch vor – auf neues Material verzichtet Alanis sogar ganz, obwohl sie Gerüchten zufolge bereits an einem neuen Album arbeitet, das entweder noch in diesem oder spätestens im nächsten Jahr herauskommen soll. Man darf also gespannt sein.
Immerhin spielt Alanis aber „Thank U“, jene spiritualistisch angehauchte Dankesrede, und natürlich das fantastische „Uninvited“, das sie für den Film „City of Angels“ schrieb und das ihr gleich zwei Grammys einbrachte. Live kommt dieser Song hervorragend rüber, zumal Alanis ihn im wahrsten Sinne des Wortes zelebriert, ihn körperlich erfahrbar macht und schließlich auf dem Bühnenboden zusammenklappt. Eine intensive Performance, die am Ende eines gut anderthalbstündigen Konzerts steht, das alle Erwartungen erfüllt. Alanis Morissette hat damit deutlich gemacht, das mit ihr weiterhin zu rechnen ist – und wenn dann tatsächlich das neue Album erscheint, könnte ja durchaus eine weitere Tour folgen. Gerne auch in Bonn. Das Publikum würde sich auf jeden Fall freuen.
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