„Andorra“: Hölzernes Rassismus-Drama

Andri ist verzweifelt. Alle sind offenbar gegen ihn, das Flüchtlingskind von „drüben“, den Fremden, den Ausländer: Die Andorraner, bei denen er aufgewachsen ist und die ihn doch stets als Außenseiter wahrgenommen haben, und auch die „Schwarzen“, zu denen einst seine Mutter gehörte und die irgendwann den vermeintlich so friedliebenden, aber gleichzeitig überaus rassistischen Staat Andorra einnehmen. Selbst die Familie scheint den Jungen nicht länger zu unterstützen, ebenso seine große Liebe, seine (Stief-)Schwester Barblin. Nur logisch also, dass Andri verletzt ist und rebelliert. Doch die studentische Schauspieltruppe „Mechthilds Schergen“ gibt dieser Hauptfigur aus Max Frisches berühmtem Drama „Andorra“ in ihrer im Pantheon gezeigten Inszenierung einen anderen Drall: Sie lässt ihn bockig wirken, beleidigt, eingeschnappt wie ein kleines Kind. Was dem Stück mit seiner leider immer noch aktuellen Thematik irgendwie nicht gerecht wird.

Natürlich könnte man jetzt betonen, dass man bei Laien-Ensembles nicht so hohe Ansprüche ansetzen darf, vor allem nicht bei solchen, die sich gerade erst gegründet haben. Andererseits zeigen studentische Gruppen etwa in der Brotfabrik ein ums andere Mal, was machbar sein kann – wer zuletzt „The last of the Haussmans“ oder Agatha Christies „And then there were none“ gesehen hat, weiß um das Potenzial engagierter Hobby-Produktionen. Mechthilds Schergen können an dieses Niveau allerdings nicht anknüpfen. Die Charakterzeichnungen der Uni-Theatergruppe sind schlichtweg zu hölzern, die propagierte „Modernisierung“ mit dem Verzicht auf den im Original essentiellen Antisemitismus nicht durchdacht. Problematisch ist auch, dass die meisten Darsteller mit der Pantheon-Akustik, die für Theaterproduktionen durchaus herausfordernd ist, überfordert sind. Viele Sätze verschwinden im Nirvana, auch die des permanent wehleidigen Andri, dessen emotionales Spektrum noch nicht einmal ansatzweise ausgearbeitet wird. Zwar bemüht sich das Ensemble um eine klare Linienführung, kann aber leider keine Akzente setzen. Dabei gehört das Stück selbst derzeit zwingend auf so viele europäische Bühnen wie möglich, ist doch die Mischung aus offenem Fremdenhass und dem mangelnden Eingestehen jeder Mitschuld nicht nur eine Problematik des Nationalsozialismus, sondern auch für der heutigen Zeit. Diese Parallelen herauszuarbeiten und dabei starke Figuren zu gestalten, ist ohne Zweifel eine Herausforderung für jedes Schauspielensemble. Mechthilds Schergen haben sich daran leider übernommen. Schade.

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