Hymnen der Liebe und der Freundschaft schallen über den KunstRasen. Das Leben ist ein Feuerwerk und der Soundtrack dazu der Wohlfühl-Pop von Wincent Weiss. Der 25-jährige Sonnyboy strahlt von der Bühne hinab in die Menge der jubelnden 4000, von denen gefühlt 90 Prozent weiblich und unter 18 sind, singt von großen Gefühlen und dem Gegenteil von Traurigkeit und versucht, selbst die härtesten Herzen zu erweichen. Wincent Weiss, der Retorten-Glücksbärchi des gefälligen Deutsch-Pops. Ein charmanter junger Mann, dem man einfach nicht böse sein kann, selbst nicht für seine Texte. Dafür ist er einfach zu nett. Und zu glatt, ohne Reibungsflächen, ohne Ecken und Kanten. Das Publikum liebt ihn gerade dafür – und feiert Weiss in der Gronau mit Jubelstürmen.
Immerhin, der Erfolg gibt dem einstigen DSDS-Teilnehmer (der es in der Casting-Show nicht allzu weit brachte) durchaus recht. Die Radiosender spielen seine Songs in Dauerschleife, und während er
im vergangenen Jahr noch im Vorprogramm von Sarah Connor auf dem KunstRasen auftrat, ist er nun der Headliner mit zwei eigenen Bands, die für ihn das Konzert eröffnen. Erfreulicherweise ist
Wincent Weiss dadurch nicht abgehoben; fehlenden Kontakt zum Publikum kann man ihm ebenso wenig vorwerfen wie fehlende Leidenschaft für seine Musik. Schon beim zweiten Stück klettert er ins
Publikum, schüttelt Hände und grinst in ihm entgegengestreckte Smartphones, damit deren Besitzerinnen hinterher damit prahlen können, ihrem Idol ganz nah gewesen zu sein. „Wir sind, wir sind
dabei, und sehen live, wie das Leben Geschichte schreibt“, heißt es dazu. Na dann…
Ohnehin kann man Wincent Weiss weder seine Musik noch seine Performance zum Vorwurf machen. Erstere ist eingängig, nicht sonderlich kompliziert aber gerade deswegen schnell im Kopf, und letztere
zieht einfach alle Register moderner Pop-Kultur. Nein, die größte Schwäche liegt in den seichten Texten, diesen mitunter schmerzhaft kitschigen Konglomeraten des Weichzeichner-Liedermachertums,
in denen sich Verse finden wie „Regenbogen, Regenbogen, und der Regen einen Bogen macht“ oder „wenn es um uns wieder leuchtet und ich dich wieder erkenn', dann sind wir mittendrin“, letzteres mit
dem obligatorischen „Oh“-Gesang. Das alles wirkt wie die Ergüsse im Poesiealbum eines verträumten Fünftklässlers – aber offenbar hat das Publikum genau danach Sehnsucht. Auf jeden Fall kennt es
jede einzelne Zeile auswendig und singt nur zu gerne lautstark mit. Ob das erwünscht ist oder nicht.
So verteilt Wincent Weiss eine ordentliche Dosis Wohlgefühl an eine harmoniebedürftige Menge, die auch schon bei den beiden Vorbands überaus begeisterungswillig war. Dabei erwies sich die Bonner Formation Steal A Taxi als überaus souverän und setzte mit intelligenten Pop-Songs einen schönen Kontrapunkt zum Rest des Abends. LEA griff derweil in die selbe Trickkiste wie Wincent Weiss, der es sich daher auch nicht nehmen ließ, die von den Teenies umschwärmte Sängerin zu einem Duett auf die Bühne zu holen. Nett. Süß. Gut gesungen, alles toll. Aber eben auch vorhersehbar, ja sogar austauschbar, ein Popsong aus dem Wunschkatalog mit beliebten Versatzstücken. Künstler, die diese Zeilen singen, singen auch… Gut, den Fans genügt das vollkommen. Sie hatten letztlich einen schönen, erfüllten Abend, ein Fest der Glückseligkeit mit einem durchaus charmanten Sänger, der sicherlich noch mehr machen könnte. Und wohl auch will. Dem Vernehmen nach liebäugelt Wincent Weiss ja mit einer Metal-Band. Wäre mal was anderes. Bis dahin wird er aber weiter die Erwartungen seiner Fans erfüllen und für verklärte Momente sorgen. Solche, in denen Musik sein müsste, immer da, wo man ist. Und da ist es dann hoffentlich auch egal, wer singt.
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