Prix Pantheon 2018: Quote statt Qualität

Was für eine Enttäuschung: Eigentlich soll der Prix Pantheon die wichtigste Ehrung des deutschen Kabaretts sein, ein Fanal für jene Kunst, die einst Größen wie Dieter Hildebrandt oder Hanns Werner Hüsch geprägt haben. Doch diese Zeiten sind vorbei. Spätestens mit der in großen Teilen schwachen Performance des Finalteilnehmer, die alle von echtem Kabarett in etwa so weit entfernt sind wie die deutsche Bundeswehr von einer vollständigen Einsatzbereitschaft, hat der legendäre Kabarettpreis fast seine komplette Glaubwürdigkeit verloren und ist zu einem weiteren der zahllosen austauschbaren Comedy-Pokale mutiert, mit denen junge Pointen- und Phrasendrescher regelrecht zugeschüttet werden. Qualität ist offensichtlich kein Kriterium mehr, was zählt, ist einzig und allein die Quote. Kein Wunder, wenn der WDR als produzierender Sender so ziemlich jeden auf die Bühne hievt, der irgendwie süß oder keck oder frech wirkt. Hauptsache, er lässt sich der breiten Masse verkaufen – und die will sich eben bespaßen lassen, statt nachzudenken. Obwohl letzteres manchmal überaus hilfreich wäre.

Die fünf Finalisten des Prix Pantheon lassen auf jeden Fall einiges an Substanz vermissen, an Tiefgang und an Nachdruck. Zugegeben, es ist schon irgendwie possierlich, wenn Jan van Weyde von seinem dreijährigen Töchterchen erzählt, das ihn beim Spielen permanent veräppelt. Kinder gehen halt immer. Aber gute Schlusspointen sind rar, gute Ideen noch rarer. Gleiches gilt für Tan Caglar, der immerhin an diesem Abend seine türkische Herkunft außen vor lässt und auch seinen Rollstuhl nur am Rande thematisiert, sich also nicht als Vertreter der Minderheiten generiert. Doch eine weitere Nummer über geisterhafte Baumarkt-Mitarbeiter? Wirklich? Soll dieser klischeebeladene Beitrag das Beste sein, was er zu bieten hat?

Ohnehin traut sich keiner, wichtige Themen anzupacken. Die „satirischen Jung-Gladiatoren“, wie Moderator Tobias Mann sie nennt, drehen sich lediglich um sich selbst, kämpfen mit ihrem Stand statt mit Inhalten und stolpern dabei gerne mal über die eigenen Füße. Besonders Tahnee fehlt die richtige Haltung: Fröhlich zieht sie über Tele-Blondinen wie Heidi Klum oder Helene Fischer her, fragt zu Recht, ob diese Showgirls der deutschen Unterhaltungsindustrie wirklich jenes Niveau vorgeben, das man haben möchte – und macht es dann selbst nicht besser. Statt über die Bequemlichkeit der Gesellschaft spricht sie lieber über weibliche Silikongebirge und gibt dabei „romantisch auf die Fresse“, wie sie selber behauptet. Warum gerade das die Jury dazu bewogen hat, ihr den Sieg in der Kategorie „Frühreif & Verdorben“ zuzusprechen, wird wohl ein ewiges Rätsel bleiben. Ihr gelänge es, „das Tiefe an der Oberfläche zu verstecken, das Politische im Privaten aufzudecken“, heißt es in der Begründung der Jury, der neben der Kabarettistin Nessi Tausendschön und der künstlerischen Leiterin des Pantheon, Martina Steimer, auch zwei WDR-Kollegen sowie die Schauspielerin Susanne Pätzold angehören. Die haben wohl eine andere Künstlerin gesehen.

Aus rein sprachlicher Sicht hätte eher noch Helene Bockhorst diese Auszeichnung verdient. Doch die gewollt verhuschte Präsentation steht der Poetry-Slammerin im Weg. Ja, klar, es soll Kontraste generieren, wenn die junge Hamburgerin ganz verschüchtert und mit wirklich unterhaltsamer Bildsprache über die Piercings in ihren beiden Brüsten Billy und Bobby spricht – doch die Spannung geht dabei leider verloren. Die wiederum kann Herr Schröder als Deutschlehrer zumindest einigermaßen aufrecht erhalten, während er mit Euphemismen kämpft, weshalb er schließlich den Publikumspreis erhält. Wirklich überzeugend ist aber auch er nicht.

Insgesamt wirkt der Prix Pantheon 2018 nicht nur erschreckend schwach, sondern auch erschreckend lustlos. Hugo Egon Balder, der den Ehrenpreis „Reif & Bekloppt“ aus den Händen von Laudator Guido Cantz erhält, scheint der Veranstaltung ebenso entrückt wie das fröhlich singende Lumpenpack, das zwar wieder mal Konfetti wirft, aber noch nicht einmal ansatzweise jene explosive Stimmung zu erzeugen vermag, für die man das Duo sonst so sehr schätzt. Einzig Wilfried Schmickler und Vorjahressiegerin Lisa Eckart setzen Akzente und zeigen, was Kabarett sein kann, wenn man das Fach beherrscht: Gnadenlos scharf und entlarvend, gesellschaftliche Phänomene anprangernd und mit brillantem Wortwitz gegen etablierte Meinungen vorgehend. So geht das. Doch auf derartige Qualitätsunterschiede wird eben nicht mehr geachtet, wie auch der Jubel für das Acoustic Fun Orchestra beweist, nachdem dieses das wohl miserabelste Pop-Medley der letzten zwanzig Jahre heruntergeleiert hat, ohne jegliche Eleganz, ohne Sinn und auch ohne Verstand. Menschen, denen dies gefällt, gefällt auch die Final-Auswahl. Ob das aber ausreicht, sollte ernsthaft bezweifelt werden.

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