„Into the Fields“: Ein Grenzzaun wird zum Gräberfeld

Ein weites Feld, geteilt durch einen weißen Zaun. Im Hintergrund drei Gestalten in barocken Frauenkleidern, Mütter, Töchter, Witwen, Waisen, wer weiß das schon. Sie sind zu weit weg, um sie klar zu erkennen, betreffen den Zuschauer zunächst nur am Rande. Dieser nimmt sie wahr, folgt ihren Bewegungen, ihre Eroberung des Felds, sieht sie zu unheimlichen, bedrohlichen, aufreibenden Klängen näherkommen, langsam tanzend, immer näher, näher, näher, bis sie schließlich an die Grenze gelangen. Und diese in ein Gräberfeld verwandeln. Intensive, erschreckende und leider auch überaus aktuelle Bilder, mit denen das Bonner Tanzfestival „Into the Fields“ am vergangenen Freitag eröffnet worden ist. Und das erstmals nicht wie sonst im Theater im Ballsaal, sondern auf dem Gelände des KunstRasens in den Rheinauen, das die nötige Tiefe bot, um die Choreographie „Trophée“ von Rudi van der Merwe adäquat umzusetzen.

Die siebte Ausgabe von „Into the Fields“ will einmal mehr Bewegungs- und Sehgewohnheiten gleichermaßen aufbrechen und dem Publikum neue Erfahrungen bescheren, gestützt durch eine moderne Körpersprache, die auch ohne Worte eine starke Geschichte erzählen kann. Mit „Trophée“ ist dies den Veranstaltern eindrucksvoll gelungen. Doch der Auftaktabend für das zehntägige Festival war damit noch nicht zu Ende. Im Theater im Ballsaal sollte Ayelen Parolins „Hérétiques“ diesen Ansatz fortführen – was allerdings nur bedingt gelang. Zugegeben, die repetitive, sich langsam entwickelnde Choreographie der Argentinierin sollte ganz bewusst an ein Ritual erinnern, verlor sich dadurch aber auch in seiner eigenen Formensprache. Dazu trug sicherlich auch bei, dass sich die obsessiven Bewegungsabläufe an Tai Chi zu orientieren schienen und auch über die entsprechende Intensität verfügten, allerdings sowohl die dazugehörige Präzision als auch eine erkennbare Bedeutung vermissen ließen. Getrieben vom Klavier (Lea Petra) blieben die beiden Tänzer Marc Iglesias und Noé Pellencin stattdessen in einem immerwährenden Kreislauf gefangen, aus dem es kein Entkommen gab. Selbst die Synchronität des Duos und damit ihre Gemeinsamkeit löste sich unter disharmonischen Akkorden zunehmend auf, machte aber mitnichten den Weg für Individualität frei, sondern fesselte die Tänzer nur umso mehr an das Instrument. Immerhin offenbarte sich so aber die Bandbreite dessen, was bis zum 22. April im Ballsaal sowie in der Brotfabrik zu sehen ist. Das Publikum zeigte sich denn auch überaus angetan.

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