„And then there were none“: Mörderischer Abzählreim

Da waren's nur noch neun. Dann acht. Dann sieben. Irgendjemand hat es offenbar auf die zehnköpfige Gesellschaft abgesehen, die sich aufgrund einer mysteriösen Einladung auf Soldier Island eingefunden hat, die einsam an der Küste Devons liegt und nun zum Schauplatz einer nervenaufreibenden Abrechnung wird, bei der ein Abzählreim zur tödlichen Prophezeiung wird. „Ten little solider boys“ werden nach und nach eliminiert: Agatha Christie hat mit diesem ebenso einfachen wie genialen Konzept Literaturgeschichte geschrieben. Ihr Roman „and then there were none“ gilt bis heute als erfolgreichster Krimi aller Zeiten. Nun hat sich das neu gegründete Laien-Ensemble „dramaturgisch wertvoll“ des Stoffes angenommen und ihn in Originalsprache und sehr viel Liebe zum Detail auf die prächtig eingerichtete Bühne der Brotfabrik gebracht.

Natürlich sind die Gäste des ominösen Mister Owens, die jetzt einer nach dem anderen fallen, nicht zufällig ausgewählt worden. Jedem wird selbst ein Mord zur Last gelegt, dem Dienstbotenpaar ebenso wie dem Arzt, dem Richter, dem Soldaten und den anderen Figuren, die das spielfreudige Ensemble mit beeindruckender Präzision zum Leben erweckt. Dieses besteht zum Teil aus langjährigen Mitgliedern der Bonn University Shakespeare Company (BUSC), die über entsprechende Theatererfahrung verfügen – den größten Eindruck machen allerdings Hanna Zubedi als Sekretärin Vera Claythorne sowie Lukas Erner als Draufgänger Philip Lombard. Beiden gelingt es, ihren Rollen Kontur zu verleihen, sie authentisch wirken zu lassen, komplex, plastisch. Stark aber auch Jean Lavalette als Butler Thomas Rogers, der die feinen Nuancen eines Mannes, der nach dem Tod seiner Frau zwischen Pflicht und Trauer zerrissen ist, mit beeindruckender Tiefe zu zeichnen versteht. Unterstützt wird dies durch die großartige Musik von Benjamin Kunz, der die bekannte Melodie des immer wieder genannten Abzählreims geschickt variiert hat.

Ohnehin hat die Theatergruppe um das Regie-Duo Ben Heering und Marc Erlhöfer großen Wert auf ebenso präzises wie atmosphärisches Spiel gelegt, ohne sich dabei allerdings von der düsteren Grundstimmung vereinnahmen zu lassen. Stattdessen gibt es immer wieder unglaublich komische Momente, vor allem dank des skurrilen Detektivs William Blore (Philipp Gierenstein) mit seinen mitunter an Inspektor Colombo erinnernden Zügen. Doch das Lachen bleibt dem Publikum in der Regel im Halse stecken, wenn die nächste Leiche entdeckt wird und der Kreis potentieller Verdächtiger immer kleiner wird. Denn wer steckt wirklich hinter diesem ausgeklügelten Plan? Wer setzt den Gästen mit Gift, Äxten und anderen Mordinstrumenten zu? Nun, natürlich – nein, das wäre zu einfach. Und unfair gegenüber all jenen, die sich das Stück noch anschauen wollen und selbst mitraten möchten. Lohnt sich: Die rund zweieinhalb Stunden (plus Pause) gehen überraschend schnell vorbei, vor allem die zweite Hälfte, in der die Todesmaschinerie an Fahrt aufnimmt. Den wahren Täter hatte dabei laut einer Umfrage bei der Premiere übrigens noch nicht einmal jeder fünfte Besucher im Verdacht. Schon alleine das spricht für die Produktion, die noch bis Ende der Woche in der Brotfabrik zu sehen ist.

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