Philip Simon: Summen für Hysteriker

Man könnte verrückt werden. Wenn man es nicht schon längst ist. Überall schüren Demagogen unbegründete Ängste und verwandeln die Lüge von gestern zur Wahrheit von morgen, was beim modernen Menschen schon deshalb gut funktioniert, weil dieser auf Knopfdruck Demenz haben kann. Ein Klick, dann ist die Platte formatiert und bereit für neue Ansichten. Nachdenken? Erinnern? Das sind Kampfbegriffe einer intellektuellen Elite, die statt zur Waffe zu Argumenten greift, sich aber nicht wehren kann. Und sich auch nicht erschießen. Wäre ohnehin keine Lösung, wie Philip Simon behauptet. Der Kabarettist und Prix-Pantheon-Preisträger von 2011 hat zwar schon die Waffe in der Hand, doch kann er sich auch bei der Derniere seine Programms „Anarchophobie“ im Pantheon nicht dazu durchringen, sie zu benutzen.

Zumal es auch anders geht. Zum Beispiel mit Summen. Das hilft, wenn man mal wieder schreien möchte, ist ein probates Mittel gegen die allgegenwärtige Hysterie, die Populisten und Fanatiker aller Couleur fröhlich ausdünsten. Summen als Heilmittel gegen die Angst vor Spinnern. Wenn es doch nur so einfach wäre.

 

Andererseits hat Summen noch niemandem geschadet. Im Gegensatz zu Waffen. Und da Simon ohnehin sehr überzeugend sein kann, macht irgendwann auch das gesamte Publikum mit. Ein Erfolg für den 41-Jährigen, der mit seiner melancholischen Rhetorik mitunter an Hagen Rether erinnert, auch wenn er im Gegensatz zu diesem keinen Flügel poliert und darüber die Zeit vergisst. Simon ist da stringenter, klarer, fokussierter. Jeder Satz hat seinen Platz, selbst die aktualisierten Kommentare über die Koalitionsverhandlungen oder den erfolgreich gegen Wissen immunisierten Donald Trump, für den Wahrheit eben keine unbekannte Größe ist. Sondern nur eine Laus, die man zerquetscht, wenn sie stört. Ein populäres Phänomen, unabhängig vom Bildungsgrad. Simon versucht, ihm auf den Grund zu gehen, nebenbei noch ein gutes Wort für Flüchtlinge einzulegen und so ganz nebenbei gewisse Glaubenssysteme zu dekonstruieren. Schade, dass es mit dieser intelligenten Abrechnung jetzt vorbei ist. Doch die nächste steht schon in den Startlöchern: Am 12. Mai ist Philip Simon mit seinem neuen Programm „Meisenhorst“ erneut im Pantheon zu erleben.

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