Night of the Proms: Eine Halle voller Sterne

Tradition trifft Innovation: Seit mehr als 30 Jahren ist die Night of the Proms nicht nur eine Zusammenkunft von Klassik und Pop, sondern in der Regel auch ein Treffen der Generationen. Und doch dürfte die aktuelle Tour, die am vergangenen Freitag in der Lanxess Arena Station gemacht hat, etwas Besonderes sein. Fast sechs Dekaden liegen zwischen dem ältesten und dem jüngsten Musiker – und dennoch spielen an diesem Abend Altmeister und Jungstars auf Augenhöhe. Mehr noch: Bei allem Jubel für Peter Cetera oder den ehemaligen Supertramp-Sänger Roger Hodgson, die mit ihren großen Hits das Publikum in kollektive Nostalgie versinken lassen, ist es doch die 16-jährige Pianistin Emily Bear, die mit ihrer charmanten Art alle bezaubert.

Schon mit ihren ersten Tönen spielt sich die junge Amerikanerin in die Herzen des Publikums. Virtuos hämmert sie „Skyfall“ in die Tasten, interpretiert danach Gnarls Barkleys „Crazy“ als leider etwas überstilisiertes Kunstlied und vertont spontan die Geschichte der in Köln lebenden Nichte von Quincy Jones, deren Sohn mit einem halben Herzen geboren wurde und der sich trotzdem seines Lebens erfreut. Nicht immer sitzen die Töne perfekt (ganz zu schweigen von der extrem harten Abmischung durch die Tontechnik, dank der vor allem die hohen Töne physische Schmerzen bereiten), aber die Leidenschaft, mit der Bear spielt, entschädigt für alles. So ist es kein Wunder, dass sie bei „Breakfast in America“ Hodgson begleitet – und bei „All By Myself“ von John Miles geradezu angehimmelt wird. Selbst das unverwüstliche „Music“, essentieller Bestandteil eines jeden „Night of the Proms“-Konzerts und die Hymne eines jeden Musikliebhabers, stimmt sie an, bevor Miles mit seiner überragenden Souveränität übernimmt.

Daneben hat das von der Brasilianerin Alexandra Arrieche brillant geleitete Antwerp Philharmonic Orchestra, das den Kern der „Night of the Proms“ bildet, noch weitere Künstler eingeladen. Bei Ex-Spice-Girl Melanie C springt allerdings der Funke nicht so ganz über, so sehr sie sich auch bemüht. Wohl aber bei Culcha Candela, die gleich zu Beginn des Konzerts alle zum Singen und Tanzen bringen und von der Orchester-Begleitung durchaus profitieren. Schade ist allerdings, dass der belgische Klangkörper selbst nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, so wie die Klassik insgesamt, die mitunter ohnehin nur angeteasert, aber nur selten angemessen gewürdigt wird. Und wenn, dann erklingen Gassenhauer von Beethoven bis Tschaikowski, darüber hinaus etwas Hollywood-Symphonik  und eine Hommage an die Klangkunst alter Cartoons. Hauptsache gefällig. Ist aber auch gar nicht schlimm. Immerhin entsteht erst dadurch, dass wirklich alle Kanten vermieden werden, jenes Gemeinschaftsgefühl, das die „Night of the Proms“ letztlich ausmacht. Und wenn schließlich Tausende die zuvor verteilten Lämpchen aktivieren und in der Arena ein künstlicher Sternenhimmel aufleuchtet, ist alles gut. Harmonie als Tradition. Auch was Schönes.

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