Michael Mittermeier: Zahnlose Wildheit

Eigentlich ist Michael Mittermeier gekommen, um sich aufzuregen. „Wir reden heute Abend über Dinge, die uns wild machen“, sagt er zu Beginn seines neuen Programms „Wild“, das er im Rahmen der Reihe „Quatsch keine Oper“ in Bonn vorstellt. Also über Lichtsensoren in öffentlichen Toiletten, Kommunionskerzen als mickrigem Lichtschwert-Ersatz, die vier Heiligen Drei Königinnen und dicke Kinder, die jeden mit einem gelben T-Shirt für ein Pokemon halten. Eben all die großen Probleme, die derzeit die Menschen in Deutschland zum Tier machen. Dabei ist es Mittermeier selbst, der einen fuchsteufelswild machen könnte: Er, der einst als Lichtgestalt der deutschen Comedy-Szene galt und mit seinen Stand-Up-Nummern sogar in den USA erfolgreich war, serviert dem ekstatisch johlenden Publikum immer wieder fragmentarische Pointen aus der untersten Schublade, räsoniert über die Vorzüge des Küssens im Vergleich zum Lecken eines blanken Hinterns und über die Beschaffenheit von veganem Kot, jongliert ebenso fröhlich wie pubertär mit ebenso banalen wie peinlichen Klischees, arbeitet sich beim Niveau immer wieder in den Keller vor und wundert sich dann, dass er in den wenigen gehaltvollen Momenten keine Spannung zu halten vermag und von einem verstummten Saal verständnislos angeschaut wird.

Verwunderlich ist das nicht, bleibt Mittermeier doch selbst in seinen ernsthaftesten Momenten ohne Tiefgang, was leider in der Regel in überaus platten Pointen mündet: Das Wahlergebnis der AfD – die, das betont er ausdrücklich, immerhin politisch legitimiert ist – würde in Österreich als Linksruck gelten und beim Berliner Flughafen könnte man ja Flüchtlinge als Türöffner einstellen, als Alternative zur Terrorismus-Ausbildung. Diese Erkenntnisse und Ideen muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Und das sind noch die besseren. Wenn Mittermeier anfängt, über die orangefarbene Haut Donald Trumps zu sprechen oder vor dem ominösen „Kalifatsstaat“ zu warnen, wird es erst so richtig oberflächlich. Und wenn er fragt, warum alle von der Lügenpresse aber keiner vom Lügenfernsehen spricht, obwohl es doch Sendungen wie „Frauentausch“ gebe, hat er offenbar die gesamte Diskussion um „Fake News“ nicht verstanden.

Bitter sind auch andere Passagen, mit denen sich Mittermeier seiner Kompetenz beraubt. So fängt er irgendwann an, „50 Shades of Grey“ zu verlachen, muss dann aber gestehen, dass er weder das Buch gelesen noch den Film in Gänze gesehen habe. Ist natürlich dann eine gute Grundlage für Gags zu diesem Werk. Auch mit dem Spiel „Pokemon Go“ kennt er sich nicht aus, was ihn aber nicht daran hindert, selbiges minutenlang zu erklären. Traurig, zumal bislang doch gerade die Unterhaltungs-Medien jene Domäne bildeten, in denen Mittermeier niemand so schnell etwas vormachen konnte. Immerhin, bei „Winnetou“ und „Star Wars“ ist er wieder oben auf. Da kann er mitreden – und auf einmal ist es wieder da, das Feuer aus „Zapped“, mit dem der Turboplauderer und TV-Junkie einst durchstartete, jene Detailverliebtheit, die Mittermeier einst so wichtig war und die ihm inzwischen offenbar verloren gegangen ist. Dem Publikum ist dies allerdings egal. Es wischt die kurzen Momente der Irritation kurzerhand beiseite und bejubelt einen 51-Jährigen, der sich auf der Bühne immer noch wie ein wilder Teenager gebärdet und den fehlenden Biss durch ordinäre Zoten zu kompensieren versucht. Dabei könnte Mittermeier mehr. Viel mehr. Wenn er nur endlich seinem Bühnen-Alter-Ego erlauben würde, erwachsen zu werden und die Wildheit hinter sich zu lassen.

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