„Geisterritter“: Der Optik sei Dank

Prächtige Kathedralen entstehen wie von Geisterhand, projizierte Kreidestriche erschaffen Säulen, Fenster und Gräber, über denen der ebenfalls gemalte Mond mit gedämpftem Licht leuchtet: Rein visuell ist James Reynolds Opernthriller „Geisterritter“ nach dem gleichnamigen Roman von Cornelia Funke durchaus ein Hochgenuss. Die effektvolle Videokunst von fettFilm lässt auf der Bühne der Oper Bonn liebevoll gestaltete Räume entstehen, ohne überfrachtet zu wirken, spielt geschickt mit den natürlichen Farben – und rettet die Produktion so vor der völligen Katastrophe. Denn die opulente Optik (zu der auch herrliche Kostüme zählen) kann gerade so die literarische Totgeburt des Librettos von Christoph Klimke überdecken, das mit zahlreichen peinlichen Zeilen und völlig ohne sprachliche Eleganz und Rhythmus der Vorlage Funkes noch nicht einmal ansatzweise gerecht wird. Gepaart mit einer bemüht modernen, instrumental spektakulären doch gesanglich leider recht eingeschränkten Musik bleibt das Werk bei seiner Uraufführung somit deutlich hinter den Erwartungen zurück.

Dabei hatte sich das Theater Bonn viel von dieser Produktion versprochen. Zusammen mit der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf-Duisburg und dem Theater Dortmund hatte es Bestseller-Autorin Funke („Tintenherz“, „Drachenreiter“, „Die wilden Hühner“) gewinnen können, erstmals einen ihrer Romane für eine Opernbearbeitung freizugeben. Mit „Geisterritter“ hatte man sich bewusst für ein recht kompaktes Werk entschieden, das sich vor allem an jüngere Leser richtet. Es erzählt die Geschichte von Jon Whitcroft, der im Internat von Salisbury von furchterregenden Gespenstern heimgesucht wird und nur mit Hilfe seiner Freunde und vor allem der bezaubernden Ella den grausamen Lord Stourton besiegen kann. Doch von der feinen Poesie, die Funkes Bücher weltweit erfolgreich machten, ist in der Oper nichts mehr zu spüren. Stattdessen strotzt sie nur so vor Textzeilen a la „Aber Eis schmeckt immer“ (das könnten so auch die Teletubbies sagen), gepaart mit triefendem Pathos. Daneben finden sich die offen bekundete, recht martialische Botschaft „unterschätze niemals deinen Feind“ sowie gleich zu Anfang fröhliche „In die Hölle, in die Hölle“-Gesänge des Ensembles, die für Kinder sicherlich nur bedingt geeignet sind. Die Altersempfehlung von acht Jahren sollte bei dieser "Familienoper" insofern zwingend eingehalten werden.

Das Ensemble selbst bemüht sich redlich, der Handlung und auch ihren Figuren zumindest etwas Kontur zu geben, kann sich aber nur bedingt aus dem starren Korsett aus plumpen Versen und monotonen Rezitativen befreien, in die Klimke und Reynolds sie gepresst haben. Am besten gelingt dies noch Giorgos Kanaris als Ritter William Longspee, dessen sonorer Bariton auch mit minimalen Entfaltungsmöglichkeiten zu begeistern versteht. Aber auch Marie Heeschen macht als Ella eine tolle Figur. David Fischers Jon bleibt dagegen mangels einer charakterlichen Entwicklung weitgehend blass, während sich Countertenor Bernhard Landauer als Antagonist Lord Stourton zwar um eine dämonische Ausstrahlung bemüht, aufgrund der schwachen Dramaturgie aber eher belanglos wirkt. Große Emotionen können alle Beteiligten nicht aufbauen, nicht zuletzt aufgrund einer Komposition, die abseits von bemerkenswerten Soundeffekten des Beethoven-Orchesters vor allem auf einen prosaisch abgehackten Gesangsstil setzt. Nur gelegentlich, vor allem in der zweiten Hälfte, wird den einzelne Solisten auch mal die ein oder andere schöne Harmonie zugestanden – ansonsten obliegt es dem Chor, in der Kathedrale mit gregorianisch anmutenden Arrangements zu punkten. Zumindest das ist musikalisch gut gesetzt, ganz im Gegensatz zu den bemühten Hip-Hop-Lines dreier Mitschüler von Jon, mit denen sich Reynolds offenbar der Populärkultur anbiedern will. Klappt nicht. Dennoch gibt es am Ende der Premiere einen langanhaltenden Schlussapplaus und stehende Ovationen. Der Optik sei Dank.

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