Jaztube-Finale: Mehr als nur Jazz

Eine Klezmer- und eine Pop-Band neben einem modernen Jazz-Sextett mit klassischem Sound: Für einige wenige ausgewiesene Hardcore-Puristen könnte die Besetzung beim Finale des Bonner Jazztube-Festivals zunächst einmal schwer zu schlucken gewesen sein. Doch schon nach den ersten Tönen dürfte auch ihnen klar gewesen sein, dass diese neuen Wege vielleicht nicht ganz den Erwartungen entsprechen, dafür aber jede Menge Charme haben. Nicht umsonst hat das Publikum der Jazztube-Konzerte in den Bonner U-Bahnhöfen The Klezmer Tunes, das Jentgens6tett und Mary & The Poppins zu ihren Favoriten gekürt. Im Pantheon sorgten sie nun für einen bunten, wenn auch langen Abend mit allerlei faszinierenden Facetten, die einmal mehr unter Beweis stellen, dass der Jazz alles vereinen kann. Wenn man ihn nur lässt.

Schon der Auftakt des Triple-Konzerts riss das Publikum mit. The Klezmer Tunes hatten schon Ende August bewiesen, dass sie mit ihrer leidenschaftlichen jüdischen Tanzmusik Garanten für gute Stimmung sind – im Pantheon legten sie nun noch einen drauf. Das Kölner Ensemble um den ehemaligen Eislauf-Profi und jetzigen Klarinetten-Virtuosen Dimitri Schenker griff alles auf, vom russischen Schwarzmeer-Mafialied bis hin zum „Pink Panther“ und interpretierte die Songs auf ihre ganz eigene Art und Weise. Die schwungvollen Rhythmen, mitunter noch durch ein paar von Gitarrist Mike Rauss in eine Loop-Station gesungene Beatboxing-Phrasen unterfüttert, verwiesen mitunter durchaus auf Funk, Bossa Nova und Rock 'n' Roll, fügten sich aber immer hervorragend in die Klezmer-Klänge ein. Die Improvisationsfreiheit, die dieses Genre mit dem Jazz verbindet, nutzten die Musiker nur allzu gerne – und brauchten diese auch, als es zu technischen Problemen mit dem Tonabnehmer der Klarinette kam. Stören ließ sich das Quintett dadurch nicht und setzte letztlich einen souveränen Schlusspunkt.

Als einzige klassische „Jazz Jazz“-Formation, wie Jazztube-Organisator Thomas Kimmerle sie ankündigte, musste das Jentgens6tett im Anschluss einige Hoffnungen erfüllen. Das gelang den Essenern jedoch mühelos, auch wenn eine gewisse Nervosität unbestreitbar war. Angesichts des großen Saals und der extrem anspruchsvollen Kompositionen war dies allerdings auch verständlich; unter anderem hatte die junge Band Stücke von Ornette Coleman und Ron Carter im Repertoire, mäanderten also regelmäßig im Modern und Free Jazz. Keine leichte Kost, die jedoch durch das überzeugende Spiel der Musiker äußerst bekömmlich wirkte. Vor allem Pianist Jan Alexander begeisterte durch seine eleganten, unaufgeregten Soli, während die drei Bläser insbesondere in den Tutti-Passagen mit einem weichen Klang auf sich aufmerksam machten.

Dennoch war danach ein wenig Entspannung angebracht, was dank Mary & The Poppins kein Problem war. Ihr sympathischer, intelligenter Pop verfügte zwar über einen eher nachdenklichen, fast schon melancholischen Duktus, erwies sich aber als ideal für die späte Stunde. Die warme Stimme von Frontfrau Marie Pack, deren Gesang gelegentlich durch Violinistin Magdalena Barszcz und Saxofonistin Julia Kriegsmann perfekt harmonisiert wurde, lud zum Träumen ein, zum Zuhören und zum Reflektieren. Eindrucksvollster Moment war ohne Zweifel die Ballade „Fehl am Platz“ über das Alter, der man gerne noch länger gelauscht hätte. Dann allerdings mit ein bisschen mehr Volumen von Seiten der Band: Ohne Bass und Schlagzeug fehlte eine gewisse Basis, und die dünnen Keyboard-Töne Packs, die als bloßes Akkord-Gehämmer ohnehin von ein paar Variationen profitieren würden, konnten dies leider nicht ansatzweise ausgleichen. Andererseits ist das Kritik auf hohem Niveau. Insgesamt erwies sich das Jazztube-Finale als gelungener Abschluss einer exzellenten Reihe, die auch im kommenden Jahr mit spannenden neuen Bands aufwarten dürfte.


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