HG Butzko: Die hohe Kunst der Differenzierung

Irgendwann platzt einem Zuschauer der Kragen. Und zwar nachdrücklich, was im Pantheon nun wirklich nicht alle Tage vorkommt. Aber ein mutiger Kabarettist muss schließlich den Islam kritisieren, das haben zuletzt schon so einige behauptet. Und dann sollen Muslime auf einmal die Opfer sein? Was für eine Dreistigkeit. „Ich lass mich doch nicht verarschen“, ruft er lautstark durch das Pantheon, während HG Butzko die Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen und Minderheiten in Venezuela, Myanmar und anderen Staaten anprangert und die islamisch geprägten Länder außen vor lässt. Hashtag Aufschrei! Das wird man ja wohl mal sagen dürfen!

Ja, darf man. Aber manchmal hilft es, eine Argumentation bis zum Ende zu verfolgen, bevor man sich echauffiert und eine öffentliche Debatte anzuregen versucht. Vor allem, wenn Butzko spricht. Denn eines kann man dem selbsternannten „Hirnschrittmacher des deutschen Kabaretts“ nun wirklich nicht vorwerfen: Dass er nur auf eine Seite draufhaut. Wenn schon, dann auf alle. Man muss halt nur differenzieren.

 

In seinem Programm „Menschliche Intelligenz“ rechnet Butzko mit dem Verhältnis von Religion und Staat ab. Und zwar in sämtlichen Ausprägungen. Natürlich spricht er von den Missständen in Saudi-Arabien und anderen Ländern, in denen die Scharia geltendes Recht ist (auch wenn die immer wieder in die Schlagzeilen geratene Situation in Pakistan durchaus noch eine Erwähnung wert gewesen wäre) – aber gleichzeitig kritisiert er die Einflussnahme der christlichen Kirchen auf Deutschland, den evangelikalen Extremismus in den USA oder die Massaker der Lord Resistance Army in Uganda, die für einen Gottesstaat auf Basis der Zehn Gebote kämpfen. Warum denn immer nur auf dem Islam herumhacken? „Ich finde es scheiße, eine sechsprozentige religiöse Minderheit in Deutschland pauschal zu diffamieren und zu diskriminieren“, betont er. Was aber zugleich nicht heißt, dass man gewisse Einstellungen nicht kritisieren dürfe. Aber dann doch bitte unabhängig von der Glaubensrichtung.

Detailliert widmet sich der bekennende Atheist daher stellvertretend dem Christentum, verweist auf Bibelstellen, die zu Gewalt gegenüber Andersgläubigen aufrufen oder ein Kopftuch für Frauen fordern (1. Korinther 11,5), und versucht, die immer wieder herangezogenen christlichen Werte als moralischer Maßstab gerechten Handelns zumindest ansatzweise zu entglorifizieren. „Ich bin gegen Minarette“, sagt er, „aber auch gegen Kirchtürme. Ich will einfach nur meine Ruhe haben.“ Vor Gläubigen aller Arten und vor allem vor der AfD, die das Christentum genau so instrumentalisiert und missbraucht wie radikale islamistische Terroristen ihre Religion. Nur dass sich die Partei-Mitglieder noch nicht vor dem Bundestag in die Luft sprengen. Wahrscheinlich weil sie nicht an die 72 Jungfrauen glauben. Stattdessen streuen sie rassistisches Gedankengut, gerne mal im wissenschaftlichen Tonfall so wie einst Björn Höcke in einem Vortrag über R- und K-Strategien. Auch den nimmt Butzko rigoros auseinander und entlarvt ihn als vollkommenen Blödsinn. Man könnte auch von alternativen Fakten sprechen. Käme aufs Selbe raus. Zugegeben, im Vergleich zu vielen seiner Kollegen bleibt Butzko bei diesen Erörterungen relativ ernst, verzichtet auf eine hohe Pointendichte und dementsprechend auch auf viele Lacher. Dafür regt er aber zum Nachdenken an und fordert sein Publikum heraus. Das muss man sich als Kabarettist auch erst einmal trauen.

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