Kaya Yanar: Altbekannte Klischeewelten

Ach ja, die Sprachen und Dialekte. Immer so lustig. Flirten auf sächsisch, Fluchen auf bairisch, Babbeln auf hessisch – da geht Kaya Yanar das Herz auf. Der Comedian, der im Rahmen der Reihe „Quatsch keine Oper“ nach Bonn gekommen ist, liebt derartige Spielereien, gibt sich ohnehin gerne polyglott und international, spricht in Zungen, haut irgendein spanisches oder holländisches oder sonstiges Kauderwelsch raus und ergötzt sich an den multilingualen Chimären, die er in die Welt entlässt. Und das Publikum? Ist begeistert. Seit Jahren schon, bei den immer gleichen Pointen. So ist es kein Wunder, dass auch Yanars aktuelles Programm „Planet Deutschland“ sich dieser Selbstläufer bedient und nur wenig Neues zu bieten hat – und dank des skurrilen Esprits des 44-Jährigen dennoch in weiten Teilen funktioniert.

Dabei hätte Yanar durchaus mit mehr aufwarten können. Mit mehr Substanz, mit mehr Originalität, mit mehr Tiefgang. Immerhin hebt er unter dem mit seinem Konterfei verzierten Bundesadler mehrfach hervor, dass er seit nunmehr sechs Jahren in der Schweiz lebe, der Liebe wegen, was ihm somit einen neuen Blick auf seine Heimat Deutschland gewähre. Nur merkt man inhaltlich davon nichts. Typisch deutsch sind für ihn weiterhin Beamtengesetze mit abstrusen Auswüchsen, Autos und eben die diversen Mundarten, die zugleich als Beweis dafür herhalten müssen, dass man hierzulande durchaus über Humor verfügt. Fall gelöst, Klappe zu, Affe tot. Von wegen: Auf dieser klischeehaften Dreifaltigkeit baut Yanar nahezu sein gesamtes anderthalbstündiges Programm auf. Genüsslich vergleicht er den Straßenverkehr in der Schweiz („Da herrscht ein Tempolimit von 120! Damit parkt man in Deutschland ein“), in der Türkei („Da gilt nicht rechts vor links, sondern rechts und links“) und eben in der heiligen Bundesrepublik, in der Tempo 240 auf der Autobahn zum Sinnbild von Freiheit verklärt wird. Dazu noch ein paar Pointen über deutschen Aberglauben, deutsche Verhaltensmuster in Flughafenschlangen und den Hang zu deutschen Niederlagen beim Eurovision Song Contest, die fast alle schon bei „Was guckst du“ hätten vorkommen können, fertig ist das Erfolgsprogramm. Immerhin johlt das Publikum am laufenden Band, feiert Kaya Yanar als Völkerversteher von Rang und von Welt, als Globetrotter der Comedy und Hohepriester der Ethno-Gags. Und die Masse hat schließlich immer recht.

Dabei steht außer Frage, dass Kaya Yanar ein exzellentes Gespür für Timing besitzt und wie ein Maschinengewehr eine Pointe nach der anderen abfeuern kann, ohne dabei hektisch zu wirken. Mitunter wundert er sich selbst, worüber seine Fans lachen, greift die Reaktionen aber geschickt auf und baut sie in seine Darbietung ein. Was diesen Teil der Kleinkunst angeht, macht keiner Yanar so schnell etwas vor. Doch kann das wirklich alles sein? Natürlich erwartet keiner, dass der Dauer-Grimassierer auf einmal zum ernsthaften politischen Kabarettisten mutiert, aber ein bisschen mehr als die bewährten Null-Aussagen wären wünschenswert. Und tatsächlich, ab und zu blitzt sie auch mal durch, die Lust auf ein bisschen echte Satire. Wenn die Türen und Fenster auf den Euroscheinen angesichts der Flüchtlingskrise schnell zugeschlagen werden und der erste Zehner mit einem von Ungarn gestifteten Stacheldrahtmotiv schon in den Druckerpressen wartet, zeigt Kaya Yanar, was wirklich in ihm steckt. Davon bitte mehr. Pointen mit Haltung, die nachwirken können. Diese öffentlich äußern zu dürfen, ohne Repressionen fürchten zu müssen – auch das könnte man als typisch deutsch bezeichnen. Egal in welchem Dialekt.

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