Henning Schmidtke: Ein unvollendeter Egomane

Eigentlich ist doch alles klar: Wer einmal Henning Schmidtke erlebt hat, braucht keine anderen Kabarettisten mehr. Der 47-Jährige ist immerhin der selbsternannte Retter der deutschen Kleinkunst-Szene, die Zukunft seiner Zunft, der einzig wahre Messias des Kabaretts. Er, der nur allzu gerne von sich erzählt, wenn die Zeugen Jehovas ihn besuchen, um über Gott zu sprechen; er, der Win-Win-Meister, von dessen Leben jeder Mensch träumen dürfte; er, der Edel-Narziss mit der goldenen Zunge und den silbernen Händen. Im Pantheon offenbart sich Schmidtke, der mit seinem neuen Programm „Egoland“ und jeder Menge missionarischen Eifers durch die Republik tourt, nur allzu gerne den unwissenden Massen – und zeigt dabei, dass er es mit seiner Rolle letztlich doch nicht ganz so ernst meint.

Es ist nicht so ganz klar, welche Linie Schmidtke eigentlich verfolgen will. Es ist nachvollziehbar (wenn auch streng genommen unnötig), dass er dem zynischen Egomanen, der nach einer erfolgreichen Trump-Therapie seine eigenen Fakten aufstellt, einen zutiefst betroffenen, kritischen Betrachter gesellschaftlicher Entwicklungen gegenüberstellt. Doch leider verschwimmen immer wieder die Grenzen zwischen den beiden Polen: Da regt Schmidtke sich zu Recht über die Ausbeutung der Frauen durch jene Fabriken auf, die im Auftrag von kik Billig-T-Shirts für einen Hungerlohn zusammennähen, wird dabei auch richtig ernst (was nicht alle im Publikum mitbekommen) – und landet schließlich bei einer schwachen Pointe über den vermeintlichen Stolz ägyptischer Sklaven angesichts der Pyramiden. Wenn also was Großes entsteht, ist Ausbeutung in Ordnung? Da wackelt die Argumentation, ähnlich wie bei den armen Rumänenkindern, die keine Ausbildung haben und deshalb von Banden für Einbrüche missbraucht werden – 30 Euro im Monat würde ein Schulplatz kosten, rechnet Schmidtke vor, aber stattdessen würden die Menschen in Deutschland das Geld lieber für Unsinn ausgeben. Wie zum Beispiel Hundeschulen. Ähm, ja. Schlechtes Beispiel, Herr Schmidtke. Wenn der nächste unerzogene Schäferhund einem Mädchen ins Gesicht beißt, hat sich diese Pointe auch erledigt.

Diese Inkonsistenz erweist sich als Schmidtkes größte Schwäche. Längst nicht jeder Spruch zündet beim Publikum, und auch wenn es so einige glorreiche Momente gibt (vor allem wenn Schmidtke nachdenklich wird, Missstände anprangert oder Identitätsfragen stellt), mangelt es doch an argumentatorischer und dramaturgischer Stringenz. Immerhin: Das Potenzial ist vorhanden. Nur zum Messias reicht es noch lange nicht. Da muss Schmidtke noch weitaus mehr tun – oder eine weitere Trump-Therapie machen.

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