„Don Quijote“: Windmühlenkampf als Meta-Theater

Manuel Zschunke ist auf einem Kreuzzug. Gegen das System, gegen alles, vor allem aber gegen das Publikum und die Kritiker. Eine ominöse Masse, die im Dunkel kaum zu erkennen ist und deren Haltung schon von Anfang an festzustehen scheint. Eine Ansammlung von Riesen – oder sind es doch nur Windmühlen? Egal: Sich ihnen andienen und reines Publikumstheater machen, einen Crowd-Pleaser an den nächsten reihen und ständig der Ästhetik des Volkes entsprechen kann nicht das Ziel sein. Zumindest nicht für Zschunke, der diesen durchaus richtigen Ansatz in der irrwitzigen Inszenierung des „Don Quijote“ (Regie: Hajo Tuschy und Jacob Zuske) kurzerhand ins Extrem treibt sich sogleich auf die Suche nach radikalen Formen macht. „Theater ohne Publikum wäre viel geiler“, sagt er. Kein Ankämpfen mehr gegen vermeintlich unerfüllbare Erwartungen, keine Bewertungen, keine Kritik. Einfach nur spielen, einfach nur träumen. „Das ist Don Quijote“, ruft Zschunke, und selbst sein Freund und Kollege Tuschy kann ihn nicht aus diesem Wahn befreien. Also spielt er stattdessen mit – und stürzt sich zusammen mit dem Schauspieler von der traurigen Gestalt in die Romanhandlung.

Schon aus dieser Grundkonstellation heraus dürfte klar werden: Wer eine ausladende Adaption des Meisterwerks von Miguel de Cervantes erwartet, mit großen Bildern und opulent erzählten Geschichten, dürfte sich mit dem in der Bonner Werkstattbühne spielenden „Don Quijote“ schwer tun. Zwar werden einige der zentralen Szenen des ersten Romanteils angedeutet und dank eines überaus wandlungsfähigen Tuschy, der neben Sancho Panza und einigen anderen Charakteren auch ein Schaf und den Gaul Rosinante mit vollem Körpereinsatz mimt, die frühen Abenteuer des irren Ritters skizziert, doch dienen diese nur als phantasievolle Spiegelung eines ebenso brillanten wie brüllend komischen Meta-Theaters. Nicht umsonst nimmt der einführende Diskurs zwischen Zschunke und Tuschy, der mit zahlreichen Anspielungen auf Interna des Theater Bonn, Gesellschaftskritik und Politik-Verweise gespickt ist, beinahe die Hälfte der 75-minütigen Spielzeit ein. Das Wesen von Schauspiel und Schauspieler steht dabei im Mittelpunkt, der ständige Kampf von Traumtänzern gegen die Windmühlen der Phantasielosigkeit. In jedem Künstler, so der Tenor, steckt auch ein Don Quijote. Ein Held, der seine Welt in den Geschichten findet – und dabei mitunter an der Realität scheitert.

Tuschy und Zschunke gelingt es meisterhaft, die ursprüngliche Diskussion in die Don-Quijote-Handlung zu übersetzen. Auch dort wimmelt es nur so vor Anspielungen und Brechungen, ohne allerdings den Text zu überladen. Gleichzeitig spielt das Stück mit der Ernsthaftigkeit und setzt den tiefsinnigen Gedanken immer wieder herrliche Absurditäten entgegen: Schon die Herausforderung, auf ein illusorisches Pferd zu klettern, ist einfach nur schreiend komisch. Einziger kleiner Wermutstropfen ist das doch etwas unbefriedigende Ende, das nicht an den grandiosen Anfang anknüpfen kann und so manche Fragen offen lässt. Dennoch beweist das Regieteam Tuschy und Zuske nach dem fulminanten „Der Spieler“ in der vergangenen Spielzeit einmal mehr, was im Theater alles möglich ist. Zumindest wenn die Phantasie frei gelassen wird. Selbst wenn sie dann ab und zu mal gegen Windmühlen kämpft.

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