Robert Kreis: Pointen aus den 20ern

Ach ja, Berlin. Die große Metropole des guten Geschmacks, der feinen Witze und der pfiffigen Couplets. Damals, vor fast 100 Jahren, sprühte die Weimarer Republik nur so vor Charme und Lebensfreude – und viele sehnen sich auch heute nach dieser legendären Zeit zurück. Nun dreht Robert Kreis im Contra-Kreis-Theater einmal mehr an der Uhr: Der niederländische Entertainer, der seit inzwischen 42 Jahren seiner Leidenschaft für den Humor und die Musik der goldenen 20er frönt und fast genau so lange ein gern gesehener Gast des Hauses ist, führt das Publikum mit seinem neuen Programm „Großstadtfieber“ in die Vergangenheit der Unterhaltungsbranche. Und das so liebevoll, dass man das Alter der Pointen gar nicht merkt.

Material hat Kreis, wie immer mit mit Pomade im Haar, hochgezogenen Augenbrauen und fein gezeichnetem Menjou-Bärtchen geschmückt, mehr als genug. Aus diversen Magazinen, Zeitungen und Büchlein, die er über die Jahre auf diversen Flohmärkten gesammelt hat, entnimmt er im fröhlichen Plauderton Anekdoten, Humoresken, Satiren, Witze oder auch einfach nur die Werbung für „Gummiwaren“, die im Saal ein ums andere Mal für Gelächter sorgen. Und an musikalischen Preziosen herrscht ohnehin kein Mangel. Vor allem Fritz Rotter und Otto Reutter haben es dem 68-Jährigen angetan, eignen sich ihre Nummern doch besonders gut für jene Art von Sprechgesang, die Kreis bevorzugt. Es ist ein Stil, der kleinere Fehler gut verzeiht, der einen anspruchsvollen Spannungsbogen fordert, dafür aber stimmlich gewisse Freiheiten erlaubt. Die offene Rhythmik und die geringen Anforderungen an die Intonation kommen Kreis somit gelegen, kann er sich so doch ganz auf sein immer noch souveränes Klavierspiel und vor allem auf die Textaussage konzentrieren. Auf die kommt es an, und die kommt auch an, trotz der dauerhaften und offenbar weder Künstler noch Tontechniker auffallenden penetranten Störung der Mikrofonanlage, dank derer der Klang bei der Premiere tatsächlich ein wenig an alte Schellackplatten erinnert. Mag ja sogar passen, stört aber dennoch.

Im Gegensatz zum Vorgängerprogramm „Manche mögen's Kreis“ fehlt bei „Großstadtfieber“ ein roter Faden. Die Liebe zur Metropole soll im Mittelpunkt stehen, die Freude am pulsierenden Leben in quirligen Straßen und am scharfen Witz in mal mehr, mal weniger gelungenen Publikationen. Sonderlich konkret ist das nicht, spielt auch offenbar bei der Songauswahl nur eine untergeordnete Rolle – andererseits versteht Kreis es auch so, sein Publikum zu begeistern. Oft reicht schon eine Grimasse. Bei anderen würde dies albern wirken, doch Robert Kreis ist derart aus der Zeit gefallen, derart nostalgisch und dabei so frisch, dass man es ihm nicht nur verzeiht, sondern derartige Mätzchen geradezu erwartet. Die übertriebene Mimik gehört einfach dazu, ebenso wie das exaltiert rollende R, der Schlag auf die Portiersklingel am Ende eines jeden Liedes oder die ehrliche Freude von Kreis an den vorgetragenen Texten, die mitunter eine leichte, fast unmerkliche Modernisierung erfahren haben. Da lebt und liebt einer seine Kunst. Mehr als 7300 Auftritte hat der Entertainer im Laufe seiner Bühnenkarriere absolviert, doch von Ermüdungserscheinungen ist noch nichts zu sehen. Irgendjemand muss ja die 20er Jahre am Leben halten, frei von Staub und frech wie immer. Kreis übernimmt diese Aufgabe nur zu gerne. Und wird vom Publikum dafür zu Recht bejubelt.

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