Jean Michel Jarre: Der Herr der Lichter

Als die Dunkelheit hereinbricht, legt Jean Michel Jarre erst richtig los. Jetzt, da die spektakulären Licht-Installationen vollends ihre Wirkung entfalten und mit den Klangkunstwerken des Elektro-Pioniers in perfekte Harmonie treten können, sind die Bedingungen endlich perfekt. Markante Beats und flirrende Laserfinger jagen über den Bonner KunstRasen, formen einen wilden Reigen aus Schall und Licht, projizieren Bilder auf die Bäume und in die Köpfe. Fast möchte man von Magie sprechen, wäre nicht so viel Technik im Einsatz. Sogar der Post-Tower ist als eines der Wahrzeichen der Bundesstadt eingebunden: Auf seiner Fassade flackern bunte Lichter im Takt, programmiert vom Meister selbst, der damit angeblich an das Cover des Erfolgsalbums „Équinoxe“ erinnern will. Doch die eigentliche Show findet weiter unten statt, zwischen den Bäumen, wo fantastische Klänge für ein Konzert sorgen, das seinesgleichen sucht.

Etwas anderes hat man von Jean Michel Jarre allerdings auch nicht erwartet. Der Franzose ist eine Legende, der seit 40 Jahren zur absoluten Weltspitze der Elektro-Szene und der Musikwelt insgesamt gehört. 3,5 Millionen Menschen haben sein Konzert anlässlich der 850-Jahr-Feier Moskaus miterlebt, zwei Millionen waren es einmal in Paris. Er hat die Pyramiden von Gizeh in seine Show mit einbezogen, das Tote Meer, die Verbotene Stadt und die Akropolis. Der KunstRasen wirkt dagegen unbedeutend, zumal die Besucherzahl von rund 2000 noch nicht einmal annähernd der Bedeutung Jarres gerecht wird. Doch der 68-Jährige gibt sich unbeeindruckt: Er freue sich, in der Beethovenstadt sein zu können, sagt er irgendwann. Dem Publikum geht es genauso, zumal der nachmittägliche Sturzregen sich längst verzogen hat und fast perfekte Bedingungen für den Auftritt des 68-Jährigen herrschen. Der schöpft aus dem Vollen, stellt Kompositionen aus den beiden Alben „The Time Machine“ und „The Heart of Noise“ (inklusive des mit einem Manifest Edward Snowdens versehenen Stücks „Exit“) neben Klassiker wie eben „Équinoxe“ und greift natürlich auch immer wieder auf sein Opus Magnum zurück: Auf das im vergangenen Jahr zur Trilogie erweiterte „Oxygène“, mit dessen erstem Teil er 1976 einen Meilenstein der Elektro-Musik schuf.

Viel ist seitdem bei Jarre geschehen, zahlreiche Strömungen hat er aufgenommen, von der epischen Dramatik der frühen Jahre über die Pop-Art-Klänge der 90er bis hin zum Amalgam aus Darkwave und Futurepop, das seine aktuellen Werke prägt. Und doch hört man Jarre aus jeder Note heraus. Was er schafft, ist mehr als der gängige Techno, mehr als dumpfes Bass-Getöse. Es ist Kunst. Und auch wenn Jarre das Publikum immer wieder zum Winken, Klatschen und Tanzen animiert und so das Konzert mitunter in eine Art Rave für die älteren Generationen verwandeln will (die meisten Besucher kennen Jarre noch aus früheren Zeiten), steht doch die herausragende Ästhetik dieser Klänge außer Frage. Eingängige Melodien schwirren über pulsierenden Synthi-Feldern hin und her, eindringliche Rhythmen dringen in Mark und Bein, brillante Lichteffekte spiegeln dies eindrucksvoll wieder. Und überall hat Jarre seine Finger drin. Bis in die späten Abendstunden dreht er an den Reglern, haut in die Tasten, lässt die Gitarre jaulen, immer begleitet von zwei Kollegen im Hintergrund. Gegen Ende des Konzerts stellt er sich sogar an eine Lichtharfe, greift in die Strahlen und verwandelt so Licht in Töne. Die perfekte Synthese für den umjubelten Jarre, auch einem kleinen Publikum zeigt, was eine große Show bewirken kann.

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