Evanescence: Pathos Magnum

Die Bandbreite ist enorm: Hier wuchtige, druckvolle, energiegeladene Metal-Hymnen, die automatisch zum rhythmischen Nicken verleiten, dort zarte, feingliedrige Balladen. Mitunter auch alles in einem Song vereint. Im ausverkauften Palladium bejubelt das Publikum jeden einzelnen Ton, jeden Funken Emotion und jeden donnernden Akkord von Evanescence, die zum Abschluss ihrer Europa-Tournee in der Domstadt ihr einziges Deutschland-Konzert geben und dabei noch einmal alles raushauen. Krachende Riffs und hämmernde Drums, dazu der elegische Gesang von Amy Hartzler, die sich immer wieder in neue Höhen schwingt und von Trauer und Verzweiflung, Dunkelheit und Freiheitsstreben singt. Ein gut anderthalbstündiges Pathos Magnum, das zwar nicht wirklich neu ist, seine Wirkung allerdings nicht verfehlt.

Schon vor dem Auftritt von Evanescence ist die Stimmung hervorragend. Die deutsche Formation Revolution Eve setzt im Vorprogramm einige starke Akzente und wird für ihren melodischen Power-Metal begeistert gefeiert, und ein Bühnenmitarbeiter, der noch einmal mit einer Art Staubsauger über die Bühne geht und dabei zu „I Want To Break Free“ fröhlich die Hüften schwingt, ist ebenfalls ganz großes Theater. Dennoch ist das noch nichts gegen die Euphorie, die bei den ersten Klängen von „Everybody's Fool“ ausbricht. Lichter zucken, dann legt Hartzler los. Ihre lange schwarze Mähne schwingt auf und ab, ebenso wie die Perlenschnüre um ihre Schultern, während die 35-Jährige sich austobt, nur um zwischendurch am Flügel wieder zur Ruhe zu kommen. Von dort aus singt sie auch „My Immortal“, jene Goth-Pop-Ballade, die Evanescence auch über Genre-Grenzen hinweg populär machte. Der gesamte Saal singt mit, fühlt sich verbunden, und Hartzler gibt den Fans denn auch ein wenig Raum und ein paar einzelnen Verse. Ein großartiger Moment. Und doch sind es an diesem Abend weniger die ruhigen Songs, die wirklich zu überzeugen vermögen, als vielmehr die kraftvollen Stücke, in denen Hartzler nicht ganz so gekünstelt phrasiert, sondern viel klarer ist, stringenter und direkter. Davon abgesehen hat dann auch die Band mehr zu tun, allen voran Drummer Will Hunt und die deutsche Gitarristin Jen Majura, die das Publikum herrlich aufpeitschen und auf den Höhepunkt vorbereiten. Als Evanescence schließlich auf „Bring Me To Life“ zusteuert, gibt es kein Halten mehr: Die Halle tobt. Ein exzellentes Finale, für das Publikum ebenso wie für die Band, die nun wieder ins Studio geht und am neuen Album „Synthesis“ arbeitet.

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