Kai Magnus Sting: Feingemetzelte Handlungsfetzen

Ein zusammengebasteltes Knochenmonster erschreckt einen betrügerischen und von allen gehassten Geschäftsmann zu Tode, ein Häcksler beseitigt die Überreste eines korrupten Polizisten mit zahllosen Liebschaften, ein fanatischer Buchhändler bringt die Leichen von Chaos in seinen Regalen anrichtenden Kunden durcheinander und ein Chinese verarbeitet einen Koch wegen eines geheimen Suppenrezepts zu Frühlingsröllchen: Bitterschwarz sind die Kurzkrimis von Kai Magnus Sting durchaus. Absurd auch. Und leider ziemlich handlungsarm. Während einer Lesung im Haus der Springmaus, bei der neben dem Hobbyautor und Berufskabarettisten auch Altmeister Henning Venske und als Sondergast Lokalmatador Andreas Etienne mitwirkten, kamen die Stärken und Schwächen dieser in der Sammlung „Tod unter Gurken“ zusammengefassten Texte zum Tragen – und sorgten für einen kurzweiligen, aber nur bedingt nachhaltigen Abend.

Es mag am grundsätzlichen Ansatz der Geschichten liegen, dass Spannung eher Mangelware bleibt. Immerhin passiert relativ wenig. Genauer gesagt so gut wie nichts. Privatdetektiv Alfons Friedrichsberg, Protagonist der Krimis, ist schließlich kein Ermittler, sondern in erster Linie ein Zuhörer mit einem Talent für Kombinatorik. Wer die jeweilige Tat aus welchen Motiven heraus begangen haben mag, weiß er schon nach einem ersten kurzen Gespräch (wenn überhaupt, bei „Das Tierungetüm“ genügen ein paar Gerüchte), die fehlenden Details plaudert der Täter dann notfalls in bester Schurken-Manier aus. Große Anstrengungen muss Friedrichsberg also überhaupt nicht unternehmen, um die makabren Verbrechen aufzuklären. Ihm fällt letztlich alles in den Schoß. Eine besondere Dynamik entsteht so nicht, weshalb Venske als Sprecher des Pensionärs sich in der Springmaus auch darauf beschränkte, mit grummelig-lakonischer Stimme die oftmals banalen Fragen an seinen Gegenspieler Andreas Etienne zu richten. Der war trotz mitunter etwas steifer Dialoge ganz in seinem Element, schlüpfte genüsslich in die Rollen eines rheinischen Plappermauls oder eines halbseidenen Klischee-Chinesen und hatte dabei sichtlich Spaß. Am unterhaltsamsten war allerdings zweifellos Perkussionist Markus Paßlick, der sich als überaus kreativ erwies, öffnende Papiertüren ebenso vertonte wie einen Holz- und Knochen-Schredder und der so ganz nebenbei einen kompletten Vogelpark in der Tasche hatte.

Angesichts der sich eher dahinschleppenden denn adrenalinschwangeren Krimis oblag es allerdings Venske und Etienne, in ihren Solo-Passagen mit ein bisschen mehr Nachdruck aufzutreten. Ersterer drang dabei in neue Dimensionen des Schwarz vor, als bei einem Streit im Nichtraucherabteil einer Regionalbahn sowohl seine Zigarre als auch ein kleiner Pudel auf die übliche Weise aus dem Zugfenster verschwanden – und auch seine zuvor verlesene Krimigroteske stach aus der Textmasse hervor. Etienne blieb derweil fest im Alltag verwurzelt und begeisterte mit dem grandiosen Brief einer Bekannten an eine Versicherung, in der ein Sturmschaden am Gartenzaun detailliert beschrieben wurde. Klasse. Das hatte Pepp und Schwung, war herrlich satirisch und augenzwinkernd, kurzum stimmig und auf den Punkt erzählt. Wenn jetzt noch Stings Kurzkrimis ähnliche Qualitäten aufweisen würden, wäre schon viel gewonnen. Die richtigen Ideen sind immerhin schon da. Jetzt fehlt nur noch die Umsetzung.

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