Prix Pantheon: Die Vorzüge des Kannibalismus

Ein Trio, dass mit Gummipuppen Gummitwist tanzt, sowie eine Österreicherin, die zynischer als Georg Kreissler und bissiger als Hannibal Lecter daherkommt: Bei der diesjährigen Ausgabe des legendären Prix Pantheon haben Künstler gesiegt, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Grandioser Slapstick ohne Worte auf der einen Seite, gnadenlose Satire auf der anderen. Doch sowohl Starbucks Comedy (Publikumspreis) als auch Lisa Eckhart (Jurypreis) haben das Potenzial, um ganz nach oben zu kommen – ein Weg, bei denen der Kleinkunstpreis des Bonner Pantheons, der zum ersten Mal im neuen Domizil auf der Beueler Seite verliehen wurde, durchaus helfen könnte.

Das Orchester präsentierte unter der Leitung von Thomas Kimmerle und Thomas Heck ein buntes, vielfältiges Programm, das Klassiker ebenso umfasste wie junge Kompositionen und stilistisch geschickt zwischen Soul, Blues, Latin und Swing balancierte. Geprägt von einer bemerkenswerten Dynamik verbeugte es sich vor Thad Jones und Billie Holiday, zitierte den Trompeter Dusko Goykovich (mit dem Kimmerle und Heck nur wenige WocDie fünf Nachwuchskünstler, die nach einer erfolgreichen Vorrunde am zweiten Abend des Wettbewerbs noch einmal auftreten durften, deckten eine bemerkenswerte Bandbreite ab. So setzte Tino Bomelino auf die kleinen Absurditäten des Alltags und auf seine Loop-Maschine, die er überaus geschickt zu nutzen wusste, ohne jedoch einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Das gelang Katie Freudenschuss schon eher, als sie mit Fußballgesängen zu punkten versuchte, die sie den Ansprüchen von Deutschlandradio Kultur anpasste. Eine schöne Idee – die Christine Prayon allerdings schon vor Jahren hatte, als sie Texte von Mario Barth brillant überhöhte. Immerhin war der Ansatz origineller als der von Quichotte: Als erster Künstler überhaupt durfte der Kölner Poetry-Slammer zweimal hintereinander am Prix Pantheon teilnehmen, wohl auch weil er sich diesmal seinen Gitarrenkollegen Flo an die Seite gestellt hatte und somit ein ähnliches Recht verdient haben könnte wie das einstige „Team und Struppi“-Mitglied Moritz Neumeier. Eine dünne Begründung, durch „Das Orchester noch weiter torpediert wurde. Ja, diese brillante Nummer sorgte einmal mehr für Gänsehaut, war aber zugleich ein mehrere Jahre altes Quichotte-Solo, zu dem Flo nichts Substanzielles beisteuerte. Damit wurde die Ausnahmeregelung letztlich ad absurdum geführt.

So blieb es denn den späteren Gewinnern überlassen, für die Höhepunkte des Abends zu sorgen. Die Event-Schweizer von Starbugs Comedy begeisterten mit skurrilem Queen-Playback, dem tragischen Schicksal einer unsichtbaren Katze und besagtem Gummipuppen-Rock-n-Roll, dank starker Mimik und herrlich schräger Ideen ein echter Augenschmaus. Und Lisa Eckhart? Lästerte staubtrocken über seltsame Schönheitsideale und analysierte die Vorzüge des Kannibalismus. Fleisch von glücklichen Kindern statt Rindern lasse sich mittels Hüpfburg-Haltung relativ zuverlässig erzeugen, das gleichzeitige Auftreten von Krieg und Hungersnot hätte sich auch erledigt, und Flüchtlingsströme würden mit offenen Armen und Kesseln willkommen geheißen. Klingt böse – war aber echt gut.

Der Prix wartete zudem noch mit einigen Besonderheiten auf: 30 Jahre nach Eröffnung des Pantheon hat NRW-Familien- und Kulturministerin Christina Kampmann die Schirmherrschaft übernommen; Michael Mittermeier erhielt als erster ehemaliger Prix-Pantheon-Gewinner für seine Erfolge sowohl im deutschsprachigen Raum als auch in Großbritannien und den USA den Sonderpreis „Reif und Bekloppt“; und Ober-Pantheonike Rainer Pause feierte am Tag der Gala auch noch seinen 70. Geburtstag, wofür er mit stehenden Ovationen bedacht wurde. Ohne letzteren hätte es den Wettbewerb und viele erfolgreiche Künstler immerhin nie gegeben. Umso schöner, dass die Tradition weitergeht. Auch in Beuel.

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