„Rockabilly“: Klamauk verdrängt die große Kunst

Eins muss man dem GOP lassen: Es hat ein Talent dafür, herausragende Akrobaten zu verpflichten. Künstler, die alles so leicht aussehen lassen und doch an die Grenzen des Möglichen gehen, die zu scheitern scheinen und dabei doch so präzise sind, die auch mal ganz gewöhnliche Rollschuhe und Hula-Hoop-Reifen nutzen und damit etwas Unglaubliches schaffen. Die Show „Rockabilly“, die nach neun Jahren im Repertoire der Varietétheater-Kette jetzt erstmals in Bonn zu sehen ist, könnte sich ebenfalls auf derartige Artisten verlassen – tut es aber nicht. Denn anstatt das Programm gleichmäßig auf den Schultern des gesamten Ensembles zu verteilen, dominieren zwei seltsame Vögel mit einem Faible für Blödelei und Altherrenwitze das Geschehen. Was diesem leider nicht immer gut bekommt.

Max Nix (alias Thomas Nigl) und Willi Widder Nix (Marco Pfriemer) sind Vertreter der alten Schule, zwei aus der Zeit gefallene Alleinunterhalter am Rande der Peinlichkeit, die verzweifelt versuchen, das Publikum zum Lachen zu bringen und dabei vor nichts zurückschrecken. Kein Altherrenwitz scheint zu ausgelutscht, keine Pointe zu platt. Vor allem der dominante Max Nix setzt einen vermeintlichen Gag an dem anderen, oft auf Kosten seines hilflos in die Welt starrenden Partners. Ein bewährtes Konzept, das durchaus Charme hat. Allerdings nimmt es in „Rockabilly“ so viel Raum ein, dass die anderen Künstler zu Nebenfiguren degradiert werden. Gefühlt 70 Prozent des Abends gehören den beiden Komikern, die ohne weiteres zehn Minuten am Stück auf der Bühne herumkaspern und dabei immer wieder eine zentrale Regel ihrer Kunst missachten: Je länger der Aufbau, desto stärker muss das Finale sein. Doch ob sie sich nun im Messerwurf versuchen oder in der Zauberei, verharren die Meister Nix und Nix im gespielten Dilettantismus. Kein Klimax krönt die einzelnen Nummern, kein verblüffender Erfolg die zuvor missglückten oder geschummelten Versuche. Ohne Spannungsaufbau wirken diese Beiträge aber wie überdimensionierte Leerstellen, zäh wie Kaugummi und somit nur bedingt geeignet, um die exzellenten Hochgeschwindigkeitsnummern der anderen Artisten zu verbinden, auch wenn das Stunksitzungen gewohnte Publikum beim Presseabend begeistert johlt und jubelt, wenn Max Nix mal wieder eine anzügliche Geste in Richtung einer Dame in der ersten Reihe macht.

Dennoch sind es eher die Kunststücke des restlichen Ensembles, die „Rockabilly“ den im Titel implizierten Schwung verleihen. Toni Farello rast wie ein Besessener mit seinem Einrad über die Bühne und wagt sich sogar an eine Runde Seilspringen, die später Fräulein Hildegard perfektioniert. Rokko Valentino (alias Valentino Bihorac) jongliert mit allem, was ihm so in die Finger kommt, darunter mehreren großen Bällen und seinen geliebten Ringen, mit denen er bereits einen Weltrekord eingestellt hat. Die drei Giurintanos geben auf ihren Rollschuhen Vollgas und verleihen der Show zudem einen Schuss Erotik, ebenso wie Hula-Hoop-Genie Johnny B. Hoops, der die Reifen mit einer derart atemberaubenden Eleganz und Geschwindigkeit kreisen lässt, dass die eigenen Versuche aus früherer Zeit im Vergleich so elegant wirken wie die Flugversuche von Kiwis angesichts eines herumschwirrenden Kolibris. Ähnlich spektakulär ist auch die Luftring-Nummer von Marie-Ann, die gleich zu Beginn das Scheitern zur Kunst erhebt (eine absolute Meisterleistung) und damit für einen Höhepunkt des Abends sorgt. Gerne hätte man davon mehr gesehen. Doch das verhindert nun einmal das Konzept mit dem Fokus auf den Klamauk, der vor allem in der zweiten Hälfte überhand nimmt. So bleibt es denn an Elvis-Imitator Luigi, den Abend zu einem angemessenen Ende zu bringen – und auch die Musik wieder zurück in die Spur zu bringen, die zuvor durch allerlei Volksmusik-Gedudel und Alphorn-Getöse in eine abstruse und dem Motto der Show abträgliche Richtung gelenkt worden ist. Doch der King kann eben alles richten. Das Publikum ist an diesem Abend auf jeden Fall völlig außer Rand und Band, einige Gäste tanzen sogar auf den Tischen und fordern eine Zugabe nach der anderen, wenn auch weniger wegen der Akrobatik, die es mehr als verdient hätte, als wegen der Stimmung, die am Ende eben explodiert. Für das GOP dürfte „Rockabilly“ somit wahrscheinlich auch in Bonn ein Erfolg werden. Auch wenn die Show noch Luft nach oben hat.

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