Ludger K: Die Vergangenheit erklärt die Zukunft

Vieles wird schon weitaus länger gedacht, als die meisten glauben. Einiges davon sogar richtig. Smartphones zum Beispiel: Schon 1910 hat der Autor Robert Sloss sie erstaunlich akkurat vorhergesagt, hat von der immerwährenden Erreichbarkeit fantasiert und von den gesellschaftlichen Umwälzungen, die damit einhergehen. Für den Kabarettisten Ludger K (alias Ludger Kusenberg) ist dieser Text ein wahrer Schatz, einer von vielen, die er in der Bibliothek seines Vaters gefunden hat. Mit diesen Rückblicken in die Zukunft bestreitet er nun sein aktuelles Programm „Was Nietsche über Merkel wusste“, das er jetzt im Haus der Springmaus präsentiert hat. Geschickt verknüpft er Vergangenheit und Gegenwart, stellt ebenso amüsante wie lehrreiche Parallelen und Gegensätze her und verpackt dies mit sichtlicher Leidenschaft. Nur eben ohne große Pointen.

Kusenbergs literarische Entdeckungen sind bemerkenswert, unabhängig davon, ob die darin getroffenen Aussagen sich bewahrheitet haben oder nicht. Dass die Welt sich immer mehr dem Diktat der Normierung unterwirft, hat schon Hermann Löns im Jahr 1898 richtig erkannt, während Autos entgegen der Vorstellungen aus den 60er Jahren heute immer noch nicht fliegen können. Und auch wenn der im Titel versprochene Zusammenhang zwischen Nitzsche und Merkel nicht mehr als eine bemühte Konstruktion ist, reicht das übrige Material allemal für ein gutes Programm. Doch Kusenberg will mehr – und verheddert sich. Wer mit der Tutti-Frutti-Variante „ISIS-Frutti“, in der statt 71 Jungfrauen 71-jährige Seniorinnen blank ziehen, dem islamistischen Terror die Stirn bieten will und sich über die Verwendung des Wortes „Toilette“ im Deutschen echauffiert, nur um zwischen intelligenten Ausführungen ein paar platte Gags zu platzieren, tut sich keinen Gefallen. Und wer angesichts absurder Korrespondenten-Schaltungen nach Singapur bei einer Explosion im 4000 Kilometer entfernten Mumbai gleich der gesamten Weltpresse mit Hilfe eines alten Zitats einen Ausverkauf der Wahrheit unterstellt, bewegt sich auf ganz dünnem Eis. Erst recht sollte man nicht von Glück sprechen, wenn es im Hintergrund derartiger Live-Berichte mal tatsächlich knallt. Da bricht Kusenberg ein und gerät ins Schwimmen. Wäre er nur im Warmen geblieben, in der Bibliothek, genüsslich weiterschmökernd. Das hat Stil, das hat Charme. Davon, aber auch nur davon, darf es in Zukunft ruhig noch mehr geben.

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