„Pferde stehlen“: Enttäuschung und Glückseligkeit

„Wir entscheiden selbst, wann es weh tut“, lautet der Ratschlag von Tronds Vater. Damals, in jenem Sommer 1948 in den Wäldern Norwegens, als die beiden gemeinsam in einer Hütte im Wald wohnten, Bäume fällten, Stämme flößten, Pferde ritten und im Regen tanzten. Als alles so perfekt schien und als doch eine Tragödie auf die nächste folgte, als der Bruder von Tronds bestem Freund seinen Zwilling erschoss und nach und nach alle Menschen, die der damals 15-jährige Junge ins Herz geschlossen hatte, ihn verließen. Per Pettersons Roman „Pferde stehlen“, der genau diese Geschichte erzählt, ist „ein Buch über Enttäuschung, das sich liest wie ein Buch über Glück“, wie Antje Ravic-Strubel 2006 in einer Rezension für den Deutschlandfunk treffend konstatierte. Nun hat sich der holländische Schauspieler Jaap Achterberg des Textes angenommen und Auszüge im Euro Theater Central vorgetragen. Ein bemerkenswertes Erlebnis.

Auf große Gesten, auf Pathos oder Aufregung verzichtet Achterberg weitgehend. Stattdessen pflegt er eine fast schon gediegene Lakonie, aus der er nur in einigen wenigen Momenten ausbricht. Dieser Ansatz ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, zumal der 64-Jährige ein paar Minuten braucht, um mit seiner sparsamen Dynamik den richtigen Ton zu finden. Dann aber zieht er das Publikum unweigerlich hinein in die Geschichte Tronds, auf die dieser, inzwischen ein alter Mann, mit einer Mischung aus Melancholie und Nostalgie zurückblickt. In einer abgelegenen Hütte kommt alles wieder hoch, ausgelöst durch seinen Nachbarn, der sich als eine tragische Gestalt aus der Vergangenheit entpuppt. Damals, als alles anders wurde. Trond erinnert sich, wie er nach und nach erfährt, dass sein Vater im Zweiten Weltkrieg dem Widerstand geholfen hat, zusammen mit der Mutter von Tronds bestem Freund. Das Codewort der beiden war „Pferde stehlen“. Ein Sprichwort, das unbändiges Vertrauen ausdrückt und das der Vater letztlich enttäuscht. In diesem Sommer zerbrechen gleich zwei Familien – was eigentlich ein Grund zum Trauern wäre. Doch Trond, mit ironischer Distanz zurückblickend, lässt dies nur unterschwellig zu. Und Achterberg, der ihm seine Stimme leiht und die entsprechenden Passagen ausgewählt hat, unterstützt ihn dabei auf seine Weise. Abgesehen von ein paar unglücklichen Brüchen in der Handlung des Destillats gelingt dies mit beachtlicher Intensität. Gerade einmal 75 Minuten dauert das Stück. Die Wirkung jedoch, die Ergriffenheit und das Staunen, die hält länger an.

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