Fatoumata Diawara: Weltmusik bis zur Ekstase

So etwas hat der Kammermusiksaal im Beethovenhaus wahrscheinlich noch nie zuvor erlebt: Ausgelassen tanzende Menschen, singend, klatschend, jubelnd, bei wilden afrikanischen Rhythmen alle Hemmungen fallen lassend und einfach nur die Musik genießend. Das Konzert der malischen Sängerin Fatoumata Diawara, das das von Manuel Banha organisierte Weltmusikfestival „Over the Border“ eröffnet, bringt diesen sonst der Klassik vorbehaltenen Raum in neue Sphären und ignoriert somit nicht nur geographische, sondern auch gedankliche Schranken. Ein stärkerer Auftakt wäre kaum denkbar gewesen, zumal Diawara bei aller Feierlaune ernste Botschaften im Gepäck hat.

Diawara, die als Shooting Star ihrer Heimat gilt und die in ihrer Musik die Traditionen ihrer Vorfahren mit modernen Rock-Klängen kombiniert, erweist sich als leidenschaftliche Kämpferin für die Rechte der Frauen. Sie singt von der Beschneidung junger Mädchen („Boloko“), von antiquierten Erziehungsmethoden („Sowa“) und von Zwangsheirat („Bissa“) – vor letzterer ist sie selbst 2002 aus Mali geflohen und fand in einem französischen Straßentheater Zuflucht. Inzwischen nutzt sie ihre einzigartige Stimme, um jene Tabus zu thematisieren, unter denen sie selbst litt, um den Finger in die Wunde zu legen und zugleich den anderen Frauen zuzurufen, dass sie sich durchaus wehren können. Ein „Nein“ hat eben auch einen Wert.

Also sagt Diawara eben Nein: Nein zu Grausamkeiten und Ignoranz, Nein zu Missbrauch und Erniedrigung. Aber Ja zu Vielfalt, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Ja zu Afrika. Immer wieder erhebt sie ihre Stimme, jauchzt, schreit, bezirzt und begeistert, während ihre exzellenten Band-Kollegen richtig Druck machen und herrlich groovenden Rock pflegen, der den Saal zum Beben bringt. Gitarrist Colin Laroche stürzt sich dann in herrliche Soli, während der virtuose, überaus abwechslungsreich spielende Drummer Jean Baptiste Habadou die rhythmischen Muster virtuos variiert und Bassist Jean Alain Hohy für ein stabiles und doch wandlungsfähiges Fundament sorgt. Was für eine Energie! So zelebriert die Hohepriesterin des afrikanischen Rocks ihre zwischen Mahnung und Ekstase changierende Messe, in der Diawara gerne das Publikum aufpeitscht, zu Trillerpfeife und Haar-Wedel greift und der Menge das Lebensgefühl ihrer Heimat gewissermaßen durch die Ohren einflößt. Dem kann sich keiner entziehen, selbst wenn er es wollte. Und so tanzen eben alle, feiern über alle Grenzen hinweg und zeigen so schon am ersten Abend, wofür „Over the Border“ steht. Besser geht’s nicht.

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