Beginner: Party kommt vor Haltung

Alle Arme wippen im Beat. Tausende sind es, die auf und ab gehen und in der Lanxess Arena ein bisschen wie die Tentakel einer gigantischen Hip-Hop-Anemone wirken. Auf und ab, auf und ab, auf und ab zum kollektiven Gruß in Richtung Bühne, um eine der wohl berühmtesten und prägendsten deutschen Rap-Crews zu würdigen. Dort, an den Stufen einer Pyramide aus Licht, springen Denyo und Eizi Eiz (den viele eher als Jan Delay kennen) umher, so als ob es die vergangenen 13 Jahre nicht gegeben hätte, in denen die Beginner Funkstille bewahrt hatten und in denen sie, so zumindest das Urteil vieler Kritiker angesichts der neuen Platte „Advanced Chemistry“, ihren Schwung verloren hätten. Nichts mehr zu sagen, nichts mehr zu melden.

Stimmt nur zum Teil. In Köln, beim größten Konzert ihrer bisherigen Karriere, beweisen die Beginner, dass mit ihnen durchaus noch zu rechnen ist. Denn auch wenn nicht alle neuen Songs qualitativ mit den alten Titeln mithalten können, wissen Denyo, der auf der Pyramide thronende DJ Mad und Eizi Eiz immerhin noch eins: Wie man eine riesige Party feiert. Auch wenn die Haltung dabei ein bisschen zu kurz kommt.

Die Dimensionen der gut gefüllten Arena zeigen dabei Wirkung – im Guten wie im Schlechten. Auf der einen Seite sind die Beginner absolut begeistert, so sehr, dass sie eigentlich direkt nach dem Opener „Ahnma“ wieder von der Bühne gehen wollen, weil es ja besser kaum werden kann. Auf der anderen Seite fordert die nicht ganz einfache Akustik ihren Tribut, lässt an manchen Stellen die massiven Bässe zu sehr wummern, auch wenn es längst nicht so schlimm ist wie beim Support-Act Afrob, der gar nicht mehr zu verstehen war. Egal, das Publikum ist ohnehin überaus textsicher. Viele sind Fans der ersten Stunde, haben sich damals mit „Bambule“ sozialisiert und sind jetzt auch in erster Linie wegen der alten Titel gekommen. Die kriegen sie – und mehr. Immerhin sind die Beginner nicht alleine in die Domstadt gekommen, sondern haben ihre Idole mitgebracht: Die Heidelberger Hip-Hop-Pioniere Torch und Toni-L von Advanced Chemistry . Und so erklingt neben Klassikern wie „Hammerhart“, „Füchse“ und „Liebeslied“, die immer noch zünden, eben auch „Wir waren mal Stars“ sowie leider nur die erste Strophe von „Fremd im eigenen Land“, jenem gesellschaftskritischen Rap, der heute noch genauso aktuell ist wie vor 25 Jahren.

Doch genau diese Einstellung, für die auch die Beginner früher berühmt waren, fehlt bei den neuen Songs des Trios. Stattdessen rappt Eizi Eiz fröhlich „Yippie yippie yeah, ich habe einen im Tee / Und schmiere meine Popel an einen BMW“ („Schelle“), während Denyo greint „Mann, ich fühl mich Asbach Uralt / Doch wen wundert's nach 50 Kurzen / Ich geh auf Klo nochmal gründlich furzen“ („Kater“). Lyrik für Abgestiegene. Klar, nicht jeder Vers muss perfekt sein, und schon bei „Fäule“ heißt es selbstkritisch „So viele Dinge die passieren und ich schreib drüber / mal wie Bertolt Brecht, mal eher wie Mike Krüger“ – aber die Balance muss stimmen. In Köln kippt sie eben massiv in Richtung Party, nur selten setzen sich die Beginner mit politischen Themen auseinander. Will das Publikum aber auch nicht anders: Es feiert die Beginner gerade für ihre Unbekümmertheit, singt selbst beim Nena-Cover „Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann“ fröhlich mit und stimmen wahrscheinlich einem Ausspruch von Eizi Eiz gegen Ende des Konzerts uneingeschränkt zu: „Wir werden diesen Abend nie vergessen. Es war einer der geilsten Auftritte in unserem Leben!“ Na dann ist ja alles in Ordnung.

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