Mitch Ryder: Vom Rockpalast in die Hall of Fame

Eine größere Ehre hätte man Mitch Ryder wohl kaum erweisen können: Als erster noch lebender weißer Musiker wird der 72-Jährige im Juni 2017 in die Rhythmn and Blues Hall of Fame aufgenommen. Die Krönung eines Lebens voller Höhen und Tiefen für einen Künstler, der felsenfest im Blues verankert ist, ihm alles opfert und auch nach dieser Auszeichnung regelmäßig auf der Bühne stehen möchte. Ruhestand? Nicht für ihn. Seit 42 Jahren tourt Ryder immer wieder durch Deutschland, macht am liebsten in einigen speziellen Clubs Station, die einen besonderen Platz in seinem Herzen einnehmen. Die Harmonie gehört dazu. Am vergangenen Sonntag war er zusammen mit der Berliner Bluesrockband Engerling, seit 1994 seine feste Begleitband in Europa, einmal mehr in Endenich zu Gast und bewies mit einem eindrucksvollen Konzert, dass der Zenit zwar erreicht, aber noch lange nicht überschritten ist.

Zugegeben, ein wenig ruhiger ist Mitch Ryder schon geworden. „I'll Sing You A Song“ diente am Sonntag als Opener, eine fantastische Ballade vom neuen Album „Stick This In Your Ears“, an die sich die kantige Soul-Stimme des Sängers anschmiegte wie eine Katze an einen warmen Ofen. Ähnliche Momente sollten folgen, darunter eine Cover-Version von Otis Reddings „A Little Tenderness“ und das starke „Teach Our Children How To Love“. Ungewohnt, aber gut. Die Intensität, die schon Ryders legendären Auftritt beim WDR Rockpalast im Oktober 1979 prägte, war ohnehin allgegenwärtig – und auf den rockigen Ansatz musste das Publikum ebenfalls nicht lange warten. Schon bei dem früh erklingenden „War“ ging es ab, röhrte Ryder, wie üblich mit Hut und Sonnenbrille, wieder wie ein wilder Stier, während seine beiden Gitarristen Heiner Witte und Gisbert Piatkowski sich in exzellente Soli stürzten. Gleiches galt für seinen Hit „Ain't Nobody White“ oder für „Jenny Take A Ride“; letzteres habe er aufgenommen, als er 19 Jahre alt gewesen sei, bekannte Ryder. „Ich versuche also jetzt so zu klingen wie damals.“

 

Klappte nicht so ganz: Die Lebenserfahrung in seiner Stimme, das Aufwachsen in Armut, der große Aufstieg in den 60ern und der sich anschließende tiefe Fall, die Alkoholprobleme, die gescheiterten Ehen, aber auch die glücklichen Erfahrungen konnte er nicht verstecken. Was auch gut so war. Und immerhin, die Energie jener Zeit scheint Mitch Ryder schon vor Jahren irgendwie wiedergefunden zu haben, ganz ohne Suchtmittel, Exzesse und Provokationen. „Ich fühle mich gut, meine Stimme ist stark, die Band ist klasse und ich kann für Menschen singen, die ich liebe“, sagte er in der Harmonie. Das spürte man, ebenso wie die Freude, die er an der Musik hat. Die eigenen Songs, dazu ein paar weitere Cover wie etwa Bob Dylans „From A Buick 6“ – und ganz zum Schluss natürlich „Soul Kitchen“ in einer extra langen Version. Mehr als zwei Stunden hatte Mitch Ryder zu diesem Zeitpunkt schon am Stück gespielt, hatte sich verausgabt, hatte dem Blues erneut gehuldigt und dafür von seinen Fans den gerechten Lohn erhalten. Im nächsten Jahr will er, so es die Gesundheit zulässt, wiederkommen. Dann als offizieller Hall-of-Famer. Besser geht’s nicht.

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