„Karussell“: Aufenthalt im Gaga-Land

Eine kleine Dosis Wahnsinn gehört beim GOP einfach dazu. Sie ist der Pfeffer des Erfolgsrezepts, ein Schuss Gaga für den artistischen Kessel Buntes. Beim neuen Programm „Karussell“, das am vergangenen Freitag in der Bonner Niederlassung des Varieté-Unternehmens seine Premiere feiern konnte, hat das normale Maß allerdings nicht ausgereicht. Zum Glück. Schräg, verrückt und vor allem unglaublich herrlich erweist sich die Show als Fest für die Lachmuskeln, als exzellente Mischung aus gnadenlos komischer Clownerie und Akrobatik auf höchstem Niveau, die dank einer Chaostruppe mit sichtlichem Vergnügen an allerlei Albernheiten ein ganz besonderer Genuss wird.

Dass in so einem Szenario manches anders läuft als erwartet, ist keine große Überraschung.  Schlangenfrau Emmaline Piatt zieht sich die Schuhe einfach mal im Spagat an, statt eines Hundes springt kurzerhand ein sich in seiner Rolle überaus wohlfühlender Artist (Gabriel Drouin) durch Reifen, und im Notfall hilft ein umhertapsender Unsichtbarer weiter, der dem Applaus des Publikums immer wieder mit einem hilflosen „Ich bin gar nicht hier“ begegnet. Aus derartigen Situationen schälen sich nach und nach atemberaubende Nummern heraus, in denen so manche Künstler möglichst hoch hinaus wollen. In der Regel also unter die Decke. Dort schwingt dann etwa die bezaubernde Anouk Blais, nur vom Fuß ihres am Trapez hängenden Partners Guillaume Mesmin gehalten; dort fliegen mehrere Artisten mit Hilfe eines Schleuderbretts; dort überschlägt sich Coen Clarke, der sich vom Russischen Barren, der auf den Schultern zweier kräftiger Kerle ruht, in die Höhe katapultiert. Gerade diese Nummern stellen die Artisten vor besondere Herausforderungen, stehen ihnen doch in Bonn nur sechs und nicht etwa zehn Meter nach oben zur Verfügung – dementsprechend schneller müssen sie sich drehen, um ihre Kunststücke überhaupt zeigen zu können.

Zwischen diesen Höhenflügen ergeben sich die Artisten gnadenlosem Slapstick ohne doppelten Boden, angeführt von Philippe Trépanier, seines Zeichens professioneller Prinz des Chaos ohne Scham und Tadel. Diesem Mann ist wirklich nichts peinlich: Konsequent quetscht er seine Rundungen in körperbetonte, hautenge Gymnastikanzüge oder farbenprächtige Kostüme, knutscht das Publikum, faucht seine Kollegen ab und schafft es doch, mit all diesen Aktionen ungeschoren davonzukommen. Er darf einfach, was anderen Komikern angekreidet werden würde – vielleicht weil er sich einfach dem Wahnsinn ergibt, statt ihn nur zu spielen. Andererseits gilt das bei „Karussell“ für alle Akteure. Besonders hervorzuheben ist dabei noch Jason Fergusson, der sich mit leicht debilem Gesichtsausdruck gerne mal zum Affen macht, im Disco-Fieber ins Schwitzen gerät und Kegel auf eine derart schräge Art abräumt, dass es eine Freude ist. Und letztlich soll die Show genau diese bringen. Hat funktioniert. Bei der Premiere war das Publikum daher auch zu Recht restlos begeistert und feierte das Ensemble mit frenetischem Applaus.

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