Politischer Aschermittwoch: Zur Hälfte in Form

In den vergangenen Jahren hatte der traditionelle Politische Aschermittwoch im Pantheon ein Glaubwürdigkeitsproblem. „Klare Töne zum politischen Geschehen sind obligatorisch“, propagierte der Kleinkunsttempel immer wieder – und hatte zuletzt immer wieder Künstler zu Gast, die auf diese Vorgabe pfiffen, den Abend als beliebige Mixed Show verstanden und ihn so vollständig seiner ursprünglichen, historisch gewachsenen Form beraubten. Diesmal aber sollte alles anders sein. Zumindest teilweise. Denn tatsächlich bemühten sich alle Akteure, in mindestens einem Auftritt der ihnen gestellten Aufgabe gerecht zu werden. Was mal mehr, mal weniger gut gelang.

An Rainer Pause und Norbert Alich alias Fritz Litzmann und Hermann Schwaderlappen sollte es auf jeden Fall nicht scheitern: Die beiden Veteranen, nach zwei Monaten Pink Punk Pantheon zwar erschöpft aber zugleich in bester Kommentierlaune, hinterfragten die Schulzomanie, echauffierten sich über die täglich abgesonderten Sekrete Donald Trumps, nahmen Serdar Somuncu wegen seines WDR-Zensur-Vorwurfs in Schutz und forderten das Recht auf Beleidigung eines Staatsoberhaupts, um zumindest noch ein Mittel des Protests zu haben, wenn nach der Machtübernahme schon alle anderen unliebsamen Kanäle entweder zur Opposition oder zu Terroristen gemacht werden. Dabei beließ es das Duo in bewährt-chaotischer Verkettung von Argumenten lediglich bei Skizzen. Für mehr reichte die Zeit aber auch nicht. Immerhin, der Grundstein war gelegt – und zunächst schien es so, als würde dieser halten. Aydin Isik baute auf jeden Fall darauf auf und zeigte sich von der scheinbar apolitischen Haltung der Deutschen irritiert: „18 Millionen Menschen haben beim letzten Mal nicht gewählt, das sind die Einwohner von Österreich, der Schweiz, Köln und Bonn zusammen. Und anderenorts werfen sich Menschen vor Panzer, um ein Recht auf Wahlen zu haben.“ Ein starker Auftritt, der zwar noch einen gewissen Feinschliff in Sachen Form und Argumentation hätte vertragen können, aber in genau die richtige Richtung ging. Die spätere „Interperversion“ durch Isiks Alter Ego Kevin aus Kreuzberg schoss dagegen ein wenig am Thema vorbei.

Sebastian Pufpaff ging derweil den entgegengesetzten Weg. Von nuttoresk gekleideten Damen auf Karnevalspartys landete er mit mäßigem Schwung in der Sexismus-Debatte anhand von TV-Formaten wie „Adam & Eve“ oder „Der Bachelor“, propagierte später satirisch verzerrt jene Werte, die er den in der Kita, dem Bällchenparadies und den Armen der Tagesmutter rund um die Uhr untergebrachten Kindern vermitteln wolle und kam erst zum Schluss auf eine bemerkenswerte Situation zu sprechen: „Wir haben in diesem Jahr Landtags- und Bundestagswahlen und noch keine Inhalte“, sagte er. Und keinen interessiere es. Selbst das Kabarettpublikum nicht. „Sie sind doch auch nur intellektuelle Pseudo-Revoluzzer mit einem Hang zum Klatschaffentum“, warf er den Pantheon-Besuchern vor. „Wenn ihnen was richtig auf den Sack geht, haben Sie bald zweimal die Möglichkeit, etwas zu ändern. Also gehen Sie wählen.“

 

Derartige Ansätze waren Gabriele Busse völlig fremd. Die junge Möchtegern-Komikerin, die immer wieder völlig talentbefreit auf ihrer Gitarre desolate Liedchen über Hundekacktüten und von ihr geborene Babypflusspferde trällerte und ansonsten vor allem über ihr Stottern und ihren Veganismus sprach, wollte mit ihrem Auftritt eigentlich Werbung für ihr kommendes Solo-Programm machen. Hat nicht funktioniert. Meistens war Busse die einzige, die ihre bemühten Pointen lustig fand – und als sie dann doch mal gesellschaftskritisch wurde, Flüchtlinge gegen schwäbische Vorurteile verteidigte und der Polizei vorwarf, mehr gegen Haschisch-Dealer als gegen Brandstifter vom rechten Rand zu unternehmen, katapultierte sie sich mit völlig unausgegorenen Positionen endgültig ins Aus. Da konnte selbst Martin Zingsheim, der als Moderator mit seiner Band die einzelnen Beiträge mit feiner Satire verband, nichts mehr machen. Schade. So ganz ist der Wurm wohl doch noch nicht aus dem Politischen Aschermittwoch raus. Aber immerhin: Ein Anfang ist gemacht.


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