Simon & Jan: Fein ziselierter Weltschmerz

Irgendwer muss es ja mal sagen: Die Welt ist verrückt. Irre. Gaga. Da werden Zäune aufgestellt, um das Leid anderer nicht sehen zu müssen, ist die Verbindung zum Netz wichtiger als die zum Partner und Gott (neben der Demokratie) die beste Ausrede für Terror und Krieg. Daran muss man doch einfach verzweifeln. Oder zumindest mit dem Kopf schütteln. Ach Mensch. Warum machst du das bloß? Diese Frage stellt sich das Liedermacher-Duo Simon & Jan schon länger, ohne einer Antwort näher gekommen zu sein. Doch immerhin haben die beiden Oldenburger es geschafft, ihren Weltschmerz in feine Verse zu gießen, die mit etwas Glück auch ihr Publikum von der Last unausgesprochenem Leidens befreien. Ein kathartisches Konzert, das im restlos ausverkauften Pantheon gerne mal mit „Halleluja“-Rufen quittiert wird. Oder einem Deichkind-Zitat: „Leider geil“.

Mit ihrem neuen Programm sind Simon & Jan, die im vergangenen Jahr unter anderem mit dem Deutschen Kleinkunst- und dem Bayrischen Kabarettpreis ausgezeichnet worden sind und auch für den Deutschen Musikautorenpreis nominiert waren, ein weiteres Mal über sich selbst hinausgewachsen. Die Mischung aus Wehmut und kippenden Bildern, die der leicht depressiv wirkende Jan über den Texten ausgießt und die schon immer zu den Markenzeichen des Duos gehört hat, durchtränkt alte und neue Stücke inzwischen vollständig. Während die Flüchtlinge vor Lampedusa mit dem Paddel winken, schauen die Europäer auf ihren Yachten lieber Teleshopping oder sammeln mit der Deutschlandcard Treuepunkte und Vielfliegermeilen, um die nächste Tütensuppe am Ende zehn Cent billiger zu kriegen – das muss einen doch fertigmachen. Zumindest Jan, der aus der scheinbaren Resignation ein Erfolgsrezept gemacht hat und sich dann doch gegen die Zustände wehrt. An seiner Seite sitzt derweil Simon, der seinem Freund gerne das Reden überlässt, mit Gitarre und Loop-Station schöne Klangwelten schafft und mit warmem Bariton die Zweitstimme übernimmt.

Doch Simon & Jan können auch anders. Kurz, knackig und böse. Da sucht ein Mann mit einer Kontaktanzeige nach einer Eier leckenden Wollmilchsau, wird zur Bombardierung der Volkshochschulen mit unsinnigen Kursangeboten wie „Batiken für Nazis“ aufgerufen, skurrilen Hobbys eine Lobby gegeben und der Deichkind-Hit „Leider geil“ in einer herrlichen Akustik-Version dargeboten. Böse auch das schwarzhumorige „Was geschieht mit süßen Tieren“, in dem Donald Trump mit brachialer Gewalt zur „lame duck“ und Meerschwein Sarrazin zu Knetmasse umfunktioniert wird. Dazu natürlich die gewohnt zarten Gitarrenmelodien, so als ob Simon & Jan kein Wässerchen trüben könnten. Was für ein Irrtum.

Letztlich kann nur bedauert werden, dass die beiden Liedermacher nicht noch mehr neue Songs ins Repertoire aufgenommen haben – vor allem die zweite Hälfte besteht fast ausschließlich aus bereits bekanntem Material, darunter das fantastische „Ach Mensch“, bei dem vor allem Simon einen meisterhaften Sound erzeugt, auch mal den Cello-Bogen über die Gitarrensaiten führt und so für eine eindrucksvolle Dynamik sorgt. Da kommt Gänsehaut auf – ebenso wie bei jenem Lied, das der aktuellen Tour ihren Namen gegeben hat. Ein Song, der schon von vielen gecovert wurde und dem Simon & Jan auf ihre Weise mehr als gerecht werden: Leonard Cohens „Halleluja“ bildet ohne Zweifel den emotionalen Höhepunkt des Abends, auch dank des einstimmenden Publikums, das sich letztlich mit frenetischem Applaus für den geteilten Weltschmerz bedankt.

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