Blues Caravan 2017: Daddy bringt den Blues

Es ist mal wieder an der Zeit: Jahr für Jahr zieht Thomas Rufs Blues Caravan durch die deutschen Lande, um den Zwölftakter in all seinen Spielarten zu feiern, immer mit neuer Besetzung und in der Regel gerade deswegen so reizvoll. So auch jetzt wieder in der Bonner Harmonie. Denn auch wenn diesmal der Name nur bedingt Programm ist, gibt es einiges zu entdecken, darunter eine junge Saxofonistin mit viel Feuer, einen Ausnahmesänger mit tiefen Wurzeln – und eine Gitarristin, die man nur auf den ersten Blick unterschätzt.

Streng genommen könnte man 2017 auch vom Soul Caravan sprechen. Oder vom Rock-n-Roll-Caravan. Was zunächst einmal äußerst erfrischend ist. Schon der Opener, das unvergessliche „Unchain My Heart“, gibt die Richtung vor, in die sich der Abend entwickeln wird, und die führt eindeutig nicht wie in früheren Jahren in den gitarrenlastigen Bluesrock. Wie auch, wenn ein scheinbar aus der Zeit gefallener 50er-Jahre-Soul-Crooner und eine eher im Jazz beheimatete junge Frau zwei Drittel der Caravan-Solisten ausmachen und selbst Big Daddy Wilson, der einzige echte Blues-Meister der Tour, lieber seine phänomenale Baritonstimme sprechen lässt. Letzterer ist übrigens die größte Offenbarung des Konzerts, ebenso tief im Soul wie im Blues verankert, für beides blutend und brennend. Das mitternachtsblaue Intro zu „Neckbone Stew“ etwa verweist auf die Wurzeln im Delta Blues, ebenso wie der Einsatz einer ganz rudimentären Cigar-Box-Gitarre. Was eine Saite ausmachen kann, wenn sie von jemandem mit viel Gefühl gespielt wird. Kaum zu glauben, dass Wilson erst im Dienst der US Army nach Deutschland kommen musste, um den Blues kennen und lieben zu lernen – in seiner Heimat North Carolina hatte er zuvor nur Kirchenmusik und Country gehört. „Ich hatte keine Ahnung, was Blues war“, erzählt Wilson gerne. „Hier habe ich einen Teil von mir gefunden, der mir so lange in meinem Leben gefehlt hat.“ Zum Glück.

Die beeindruckende Tiefe Wilsons kann Vanessa Collier nicht aufweisen – die Leidenschaft dagegen schon. Die junge Absolventin des Berklee College of Music erweist sich als exzellente Entertainerin, die innerhalb von Sekunden das Publikum für sich einnimmt und mit ihrem jazzigen Spiel für gute Laune sorgt. Ihr minutenlanger Gang durch den Saal bei „Keep It Saxy“, dem in Töne gegossenen Motto der charmanten Dame, ist zweifelsfrei einer der Höhepunkte des Abends; ihre Virtuosität mit dem Sopran-Saxofon leidet allerdings unter dem mitunter unangenehm quäkenden Klang eines scheinbar verstimmten Instruments. Als Sängerin kann sie derweil nur bedingt überzeugen, dafür fehlt ihr schlichtweg die nötige Power. So muss denn eben ihr Saxofon herhalten – und das brillante Gitarrenspiel von Laura Chavez, die der gesamten Karawane unaufgeregt, stilsicher und mit krachenden Soli zur Seite steht.

Ganz weit weg vom zeitgenössischen Blues ist schließlich der Dritte im Bunde. Si Cranstoun ist ein Vintage-Künstler, ein Liebhaber des frühen Rock 'n' Roll und des Rhythmn and Blues von Vertretern wie Sam Cooke und Jackie Wilson. Mitunter mäandert er auch in Country und Schlager, während er geschickt über die Bühne tänzelt – doch gerade für ein Publikum, das vom Blues Caravan ganz andere Töne gewohnt ist, fehlt hier einfach der Kick. Cranstoun ist zu sauber, zu glatt für dieses spezielle Konzert, letztlich ein Gute-Laune-Musiker im falschen Film. Immerhin trägt er aber dazu bei, den Blues Caravan 2017 so abwechslungsreich wie schon lange nicht mehr zu machen. Was ja auch nicht schlecht ist. Das Publikum spendet auf jeden Fall am Ende des etwa zweieinhalbstündigen Konzerts jede Menge Beifall – und freut sich schon aufs nächste Jahr.


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