17 Hippies: Zwischen allen Stilen

Ein türkisches Stück aus Berlin, das nach einer kleinen Rock-Einlage letztlich wie selbstverständlich im jiddischen Klezmer mündet: Ein derartiger Balance-Akt zwischen allen Kulturen und Stilen gelingt auch nur den 17 Hippies. Das 13-köpfige Weltmusikorchester (die numerische Verwirrung ist übrigens Programm) ist wie kaum eine andere Formation in der Lage, die unterschiedlichsten Ansätze zu einem harmonischen Ganzen zu fügen, ohne dabei den Eindruck von Künstlichkeit zu erwecken. Ganz im Gegenteil – es kommt zusammen, was schon immer zusammen zu gehören scheint. Die perfekte Integration. Anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens sind die Hippies nun wieder auf Tour und haben dazu auch der restlos ausverkauften Harmonie einen schon viel zu lange ausstehenden Besuch abgestattet. Und der war so wie zu erwarten: ein Fest.

Monotonie ist an diesem Abend ein Fremdwort. Irisch angehauchter Swing-Funk trifft auf Folk-Walzer, Mariachi-Chanson-Balladen und Schlager-Tangos mit Hip-Hop-Anklängen, orientalische Klarinettenmelodien schweben ebenso durch die Luft wie Hillbilly-Phrasen. Mit „Harp Boy“ wird sogar ein alter Captain-Beefheart-Klassiker verarbeitet, dazu gesellt sich das durch die Shadows populär gewordene Instrumentalstück „Apache“, das in der Hippie-Version mit einer ungewohnten, aber durchaus reizvollen schrägen Rhythmik aufwartet. Der volle Klang tut das seinige: Klarinette, Geige, Gitarre, Bouzouki, Banjo, Akkordeon, Posaune, Trompete und Saxophon kommen zum Einsatz, wahrscheinlich noch ein paar weitere Instrumente, die Akzente setzen und dank der phänomenalen Arrangements alle ihre Freiräume erhalten. Haben auch alle verdient. Großartig etwa, wie Uwe Langer mit seiner Posaune selbst in den Höhen warm und klar klingt oder wie Klarinettist Henry Notruff sich in zum Teil jazzige Soli ergibt – aber auch der Einsatz der Singenden Säge (Kerstin Kaernbach) oder die Virtuosität von Drummer Romain Vincente verdienen eine Erwähnung. Dabei steht alles im Dienst der Sache, ist der Zusammenhalt nicht nur bei den grandiosen mehrstimmigen Gesangspartien essentiell. Nur ab und zu, wenn eine besonders ausgefeilte Dynamik gefordert wird, greift Christopher Blenkinsop als Dirigent ein, lässt die Bläser anschwellen oder die Streicher, dämpft das Schlagzeug oder akzentuiert einige Flötentöne, um auf diese Weise eine atemberaubende Spannung zu erzeugen. Herrlich.

Die Offenheit des Kollektivs erweist sich erfreulicherweise als hoch ansteckend. Die Leidenschaft, die die 13 Mitglieder der 17 Hippies in jeden Ton legen, das Funkeln in ihren Augen und die Freude an Musik an sich, unabhängig von ihrer Herkunft, übertragen sich mühelos aufs Publikum, das sich Lied zu Lied mehr anstecken lässt, jubelt, feiert, tanzt. Der erste Höhepunkt des Konzertjahres, er ist schon gefunden. Die Stimmung im Saal steigt kontinuierlich, ebenso wie die Temperaturen. „Wir haben gehört, dass es draußen derzeit etwa 30 Grad kälter ist als hier drinnen“, sagt Frontfrau Kiki Sauer irgendwann. Wahrscheinlich sind es eher 40. Egal. Auf jeden Fall ein hervorragender Grund, um auf der Bühne zu bleiben und weiterzuspielen. Schneller und immer schneller dreht sich das Klangkarussell, hebt beim „Bourrée dite d’Aurore Sand“ beinahe ab und mündet in einem ausgelassenen chassidischen Tanzstück, das doch nur der Auftakt für ein paar Zugaben ist. Würde es nach dem Publikum gehen, könnte das Konzert noch stundenlang so weitergehen. Zu Recht. Aber andererseits soll man ja Schluss machen, wenn es am Schönsten ist. Zumal die Hoffnung bleibt, dass die 17 Hippies nicht wieder mehrere Jahre brauchen, um auf ihrer musikalischen Walz ihren Weg nach Bonn zu finden. Diese in Töne gegossene Weltoffenheit kann schließlich gerade derzeit einfach nicht oft genug erklingen.

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