„Ein Bericht für eine Akademie“: Der Affe im Innern

Zwei Herzen schlagen ach in seiner Brust: Affe und Homo Sapiens sind in Kafkas kurzer Erzählung „Ein Bericht für eine Akademie“, die der querschnittsgelähmte Schauspieler Samuel Koch (der zuletzt in „Hiob“ in den Kammerspielen Bad Godesberg zu sehen war) und sein Kollege Robert Lang jetzt als Gastspiel auf die Werkstatt-Bühne des Theater Bonn gebracht haben, nur noch äußerlich unterscheidbar. In dem Text, der dem gerade einmal halbstündigen Stück zugrunde liegt, erzählt ein ebensolcher Affe namens Rotpeter, der sich seiner animalischen Natur aus Selbstschutz entledigt hat und durch seine Menschwerdung dem engen Käfig der Firma Hagenbeck entkommen ist, von den Herausforderungen dieses Wandlungsprozesses – zugleich bleibt er, zumindest in der bemerkenswerten Darstellung des aneinanderklebenden Duos, dennoch in gewissen Bereichen seiner Natur treu.

Was ihn in gewisser Weise sympathischer macht denn als vollendete Kopie jener, die er sich nachzuahmen ereifert. Denn Rotpeters erste Schritte in Richtung Menschsein sind vom Rausch geprägt. Rauchen lernt er, saufen auch, obwohl ihn der Alkohol zunächst anwidert. Zum Zeitpunkt seines Berichts will er als erfolgreicher Varieté-Künstler allerdings die Durchschnittsbildung eines Europäers erreicht haben – und ist sogar so weit Mensch, dass er sich eine halbdressierte Schimpansin als Gespielin hält. Es sind diese feinen Spitzen Kafkas, die den Text zu etwas Besonderem machen, auch unabhängig von der Darbietung Kochs und Langs. Die jedoch verleiht dem Stoff eine weitere, tiefere Ebene und sorgt letztlich für ein kurzes, aber intensives Theatererlebnis.

In den Sprechakten wechseln Koch und Lang sich ohne erkennbare Trennung von Menschen- und Affenseele ab. Letzterer erscheint zwar zunächst mit schwarzer Strumpfmaske und agiert somit als gesichtsloser Träger Kochs, als Es für dessen Ich und Über-Ich, doch zerfällt diese Differenzierung im Verlauf des Stücks zunehmend. Die beiden Akteure verschmelzen zu einer Einheit, werden zu einem berührenden Hybriden, der in mehr als einer Hinsicht für einen Ausweg steht. Die Figur des Affen Rotpeter kommt auf diese Weise aus seinem Käfig frei – und der Schauspieler Koch so aus dem Gefängnis seines eigenen Körpers, während ihm Lang das leiht, was ihm fehlt. Gerade diese Symbiose macht diese Interpretation von „Ein Bericht für eine Akademie“ so eindringlich, so stark. Koch steigt – ebenso wie Lang – mit sehr viel Gefühl und beeindruckender Mimik tief in die Rolle des menschgewordenen Affen ein, lässt sich fallen und weiß doch, dass er aufgefangen und gehalten wird, getragen von einem Kollegen, der sich und Koch scheinbar mühelos bewegt, fast schon tänzerisch. Was für eine physische Leistung. Sie stand übrigens, so gestand es Lang einmal in einem Interview, am Anfang der Inszenierungsidee: Während des Studiums in Hannover hätten er und Koch eines Abends beschlossen, sich so zu verbinden und gemeinsam zu tanzen, später sei daraus eine zwölfminütige Version des Kafka-Texts für Kochs Abschlussprüfung entstanden. Nun also die faszinierende Langfassung, ein Herzensprojekt der beiden. Das merkt man. Insofern lohnt sich bei der nächsten Gelegenheit ein Abstecher in die Theater-Werkstatt: am Samstag, 11. März, ist das Schauspiel-Duo mit ihrer Kafka-Inszenierung wieder in Bonn zu sehen.

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