Martin Sonneborn: „Es reicht, wenn wir das lustig finden“

Politik ist mitunter absurd. Selbsternannte Experten werben für sich im Kampf um die Macht mit hohlen Phrasen, und wer am lautesten schreit, kommt entweder an die Macht – oder nach Brüssel. So wie Martin Sonneborn. Der ehemalige Chefredakteur des Satiremagazins „Titanic“ und jetzige Vorsitzende und Europa-Abgeordnete seiner parodistischen Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (die PARTEI) hat es sich zum Ziel gemacht, die Politiker mit ihren eigenen Waffen zu schlagen und eine mehr oder weniger „ernste Antwort auf nicht ernst zu nehmende Politik zu bieten“, wie es in der Begründung des Kulturnews-Awards 2009 heißt. Und hat damit bis zu einem gewissen Grad sogar Erfolg. „Wir sind damals angetreten, um Gerhard Schröder zu stürzen und die Macht zu übernehmen“, sagt er in einer Mischung aus selbstbeweihräuchernder Partei-Geschichtsstunde und bemühter Polit-Satire in der Bonner Oper. „Ersteres haben wir bereits geschafft, an letzterem arbeiten wir.“

Dabei scheinen die Mittel der PARTEI seltsamerweise recht beschränkt zu sein: Den Großteil der ersten anderthalb Stunden seiner Präsentation verwendet Sonneborn darauf, auf diverse Wahlplakate hinzuweisen, die er und seine Parteikollegen in den vergangenen Jahren entweder hergestellt oder – im Falle anderer Parteien – modifiziert haben. Vor allem die Guerilla-Aktionen gegen die NPD sorgen in der Oper für Begeisterung: Deren inakzeptable Werbung mit dem damaligen Parteichef Udo Voigt auf einem Motorrad und dem Slogan „Gas geben“, die unter anderem vor dem Jüdischen Museum hing, überklebte Sonneborn durch solche, die das Auto des 2008 tödlich verunglückten österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider zeigte. „Wir sind der Meinung, dass wir die Einzigen sind, die geschmacklose Plakate haben sollten“, kommentiert Sonneborn die Aktion. Ein hehres Ziel, das mit ein wenig Blackfacing („Ick bin ein Obama“) oder dem Wahlversprechen, die 100 reichsten Deutschen „umzunieten“, ungeachtet aller Moral fröhlich vorangetrieben wird. Der PARTEI ist jedes Mittel recht, um in Wahlkämpfen, in denen es ohnehin längst nicht mehr um Inhalte geht, so radikal wie nur irgendwie möglich zu wirken. Zumindest auf Plakaten. Denn von anderen Aktionen weiß Sonneborn kaum zu berichten. Gut, es gab einmal einen Fackelmarsch durch das Brandenburger Tor und die Übernahme der FDP-Wahlparty bei der Bundestagswahl 2013 – aber reicht das? Offenbar ja. „Es reicht, wenn wir das lustig finden“, sagt Sonneborn und verspricht für 2017 einen „sehr schmutzigen Wahlkampf“.

Immerhin widmet sich der 51-Jährige in der zweiten Hälfte des Abends auch noch seiner Tätigkeit als EU-Parlamentarier in den hinteren Reihen. „Ich gehöre zum Abschaum“, sagt er, „ich sitze unter den Fraktionslosen und Irren.“ Darunter der von ihm bereits ins Visier genommene Udo Voigt, der immer wieder mit extremen Positionen auffallende Janusz Korwin-Mikke und neuerdings Alessandra Mussolini, die Enkelin des Duce. Was für eine Gesellschaft. Der perfekte Nährboden zur Erfüllung des ersten der drei Ziele, die Sonneborn sich gesteckt hat: „Ich will den Irrsinn und die Skurrilität der EU offenlegen“, erklärt er. Außerdem ärgere er gerne dicke alte Männer wie etwa Elmar Brok, der ihn einst überaus treffend als „faul, faul, faul, frech und faul“ beschrieben habe, und versehe politische Standpunkte mit Witzen. Schade nur, dass in der Oper vor allem von letzterem so gut wie nichts zu sehen ist. Dabei ist es doch eigentlich Aufgabe der Satire, durch Spott und Kritik Position zu beziehen. Das passt vielleicht nicht zur propagierten Inhaltsleere und erfordert mehr als nur kreatives Plakatieren, wünschenswert wäre es aber doch. Vielleicht 2017: Mit Serdar Somuncu hat die PARTEI immerhin einen der schärfsten und zugleich klügsten Kabarettisten des Landes als Kanzlerkandidat aufgestellt. Diese Entscheidung bietet ohne Zweifel jede Menge Zündstoff. Aber auch eine Chance auf mehr als nur das Verlachen des bestehenden Polit-Apparates. Eine Chance auf Substanz. Und auf Haltung.

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