Andrea Schroeder: Ode an die Leere

Die Musik passt zur Jahreszeit. Kalt, düster, bedrückend. Lieder über Winter, Tod und Teufel, die mit ihrer Schwermut irgendwo zwischen Velvet Underground und Nick Cave ihren Weg ins weit entfernte Licht suchen. Nein, gute Laune verbreitet Andrea Schroeder bei ihrem allerersten Konzert in der Harmonie sicherlich nicht. Wie auch bei einem Album mit dem vielsagenden Titel „Void“ und einem dazu passenden depressiv-melancholischen Sound in tiefstem Mitternachtsschwarz. Bass, Gitarre, Schlagzeug und Keyboards verströmen Klangteppiche aus zähflüssigem Teer, von einer indischen Shrutibox in träge Schwingungen versetzt – und daraus erhebt sich die neue Hohepriesterin des Gothic Pop mit ihrem aus Onyx geborenen Alt und sucht in der klagend nach einem Hoffnungsschimmer.

Woher diese Schwere rührt, erklärt Schroeder während des Konzerts leider nicht. Ohnehin ist der Kontakt zum Publikum auf ein Minimum beschränkt, herrscht eine seltsame Distanz, die nicht dazu beiträgt, die Emotionen nachvollziehbar zu machen. Wer sie nicht selbst spürt, ist schon verloren. „Die tiefen menschlichen Werte gehen verloren oder müssen wieder gefunden werden und alles wird nichtig“, hat die Sängerin einmal in einem Interview erklärt. Damals sagte sie auch, dass sie eigentlich ein optimistischer Mensch sei. Doch davon ist in den Songs ganz bewusst kaum etwas zu spüren. Nur ab und zu weht ein Hauch über die dunklen Wasser, eine leichte, fast unmerkliche Brise, nicht viel mehr als ein Versprechen auf Erlösung. Immer dann, wenn die Instrumente schweigen und das Blumenkind des Bösen (wie sich Schroeder selbst vor knapp drei Jahren anlässlich ihrer zweiten Platte „Where The Wild Oceans End“ bezeichnete) in samtig-trauriger Zärtlichkeit Songs wie das bewegende „Little Girl“ darbietet, weht der Wind diese Spur von Weiß vorbei – und schon ist man der Musik noch tiefer verfallen.

Dann wieder zieht ein Sturm auf, der das pechschwarze Klangmeer aufpeitscht. Im fantastischen „Was Poe Afraid“, der Vertonung eines Gedichts des amerikanischen Beat-Poeten Charles Plymell, türmen sich die Wogen auf, höher und höher, bevor es wieder hinuntergeht in den Schlund, in dessen Zentrum sich Titel wie „Burden“ befinden. Und natürlich die schwarze Sirene Andrea Schroeder, die an diesem Abend mit ernster Miene den luftigen Pop Noir, den sie etwa auf ihrem Debütalbum „Blackbird“ gepflegt hat, immer wieder zu Gunsten der bleischweren, im Rock verankerten Grandezza zur Seite stellt. Dadurch lässt das Konzert zwar eine gewisse stilistische und auch harmonische Vielfalt vermissen, schlägt aber dafür seine Klauen nur noch fester in jene wehmütigen Seelen, denen Schroeders dunkle Songperlen eine Stimme verleiht. Und vielleicht, nur vielleicht, ist ja doch nicht alles aussichtslos: Als eine der Zugaben interpretiert die sinistre Pop-Poetin eine entschleunigte, nichtsdestotrotz aber eindringliche Version von David Bowies „Heroes“. Mehr Hoffnung geht an diesem Abend nicht. Aber mit etwas Glück reicht's.

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