„Talents“: Zwischen Gefahr und Klamauk

„Das ist so schön. Und toll. Und schön“. Worte, die der jungen Frau aus dem Publikum vom Bauchredner Jan Mattheis in den Mund gelegt werden, um die neue Show „Talents“ zu beschreiben, die drei Monate nach der Eröffnung des Bonner GOP-Theaters das umjubelte „Plüfoli“ ersetzt und Varieté von einer völlig anderen Seite zeigt. Unabhängige Nummern statt einheitlichem Bühnenkonzept, ein klassischer Conferencier statt organischer Überleitungen und vor allem mehr Comedy als Clownerie. Grundsätzlich erst einmal ein nachvollziehbarer Ansatz, mit dem an den Anfangserfolg (laut Direktorin Julia Feirer sind bislang über 30.000 Besucher in das neue GOP in unmittelbarer Nachbarschaft zum WCCB gekommen, was einer Auslastung von mehr als 95 Prozent entspricht) nahtlos angeknüpft werden soll. Die Artisten sind dazu ohne Zweifel in der Lage. Doch schließlich sind es auch nicht sie, die auf eine illusionistische Selbstbeweihräucherung zurückgreifen.

Tatsächlich schwächelt „Talents“ in erster Linie bei der Moderation durch Mattheis und seinen Sidekick Thomas John. Der Turboplauderer mit den magischen Händen und der irre Amerikaner wandern konsequent auf der Grenze zwischen Wahnsinn und Lächerlichkeit, streiten über einen Arbeitsvertrag und dessen versteckte Klauseln, balancieren mit einem Holzlöffel eine Wasserflasche auf einem Luftballon, zaubern auf unerklärliche Weise Rum-Flaschen herbei – oder spucken kurzerhand mit Tischtennisbällen gegen ein Mini-Xylophon. Warum? Weil man doch nur spielen möchte. Und feststellen will, ob man auch zwei dieser weißen Dinger in den Mund bekommt. Schnell wird so aus unterhaltsamer Absurdität plumpe Albernheit, die noch offensichtlicher zu Tage tritt, wenn unfreiwillige Opfer aus dem Publikum zu Bauchredner-Puppen oder Lustobjekten degradiert und somit letztlich vorgeführt werden. Schade, zumal die Show derartige Mätzchen überhaupt nicht nötig hätte. Dafür sind alle Beteiligten eigentlich zu gut.

Vor allem die Französin Alba Faivre erweist sich als Blickfang: Mit ihrer phänomenalen, perfekt choreographierten Nummer am chinesischen Mast sorgt sie für einen Höhepunkt des Abends, später präsentiert sie sich als nicht minder brillante Vertikalseil-Artistin. Was für ein Talent. Hier hält die Show, was sie verspricht. Gleiches gilt für die in Bad Godesberg geborene Melanie Hagedorn, die als Siebenjährige in der „Circusschule Don Mehloni“ ihre ersten Erfahrungen mit der Artistik machte und jetzt auf einem durchhängenden, schwankenden Schlappseil den Kampf mit dem Alltäglichen wagt. Umziehen, schminken, trinken – alles eine Herausforderung, die die Dame mit dem unschuldig-kindlichen Blick unglaublich charmant löst.

Auch die anderen Nummern können überzeugen: Die Schwedin Linn Holm setzt mit einer verführerischen Darbietung im Cyr (einer Art Rhönrad mit nur einem Reifen) schöne Akzente, der Weltklasse-Jongleur Emil Dahl greift in einer starken Choreographie zu magnetischen Keulen, die ukrainische Krafttruppe VIP zeigt spektakuläre Hebefiguren und der ehemalige Leistungssportler Andrey Poslushnoy eine technisch überaus anspruchsvolle, allerdings aufgrund der Form des Raums nicht überall gleichermaßen gut sichtbare Handstand-Kür. Das Publikum ist zu Recht begeistert und feiert die Artisten mit frenetischem Applaus, selbst als diese zum Schluss auf Drängen Thomas Johns mit quietschenden Blockflöten Beethovens „Ode an die Freude“ in ein Martyrium verwandeln. Das ist dann leider nicht mehr ganz so schön und toll und schön wie die Darbietungen der Akrobaten. Sondern gut – manche mögen's eben schräg.

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