Für viele ist es eine Art Pilgerreise. Einmal im Jahr, Ende November, in die Harmonie, zum Meister der Glückseligkeit, zum Cherub mit den blühenden Knospen, zum Dionysos des Adventsschlagers. Anhänger aus Pirmasens, Essen und Pforzheim sind gekommen, um Guildo Horn zu huldigen, der diesmal gleich zwei seiner inzwischen traditionellen Weihnachtskonzerte in Endenich zelebriert und wie letztlich jedes Jahr innerhalb von Sekunden gut gelaunte in euphorisierte Menschen verwandelt. Diese stehen dicht an dicht, viele von ihnen mit roten Zipfelmützen oder blinkenden Lichterketten geschmückt, und singen beglückt die Texte mit, die auf allseits bekannte Melodien gepflanzt werden. Besinnlichkeit und Partystimmung gehen hier Hand in Hand, Tannenbaum-Verse treffen auf ABBA, fetzigen Ska und wilden Rock – und so seltsam diese Mischung auch auf den ersten Blick anmuten mag, so hervorragend funktioniert sie.
Horn macht allerdings auch vor keinem Klassiker Halt. Ob „Live And Let Die“, „In The Ghetto“ oder „Stairway To Heaven“, jede Melodie wird aufgenommen und an die speziellen Begebenheiten des
Konzerts angepasst, also gewissermaßen verweihnachtlicht. Natürlich ist immer ein Augenzwinkern sichtbar, wenn schmachtend vom weinenden Esel oder dem verzweifelten Wunsch des kleinen Guido nach
einem Pony gesungen wird, doch erfreulicherweise gelingt es dem Meister und seinen Orthopädischen Strümpfen immer, der Lächerlichkeit mit Eleganz auszuweichen, selbst als zum "Final Countdown"
(in einer Polka-Variante) ein tanzender Weihnachtsbaum die Bühne betritt. Ein herrlich skurriles Bild. Aber irgendwie passt das in diese Mischung aus ironischer Weihnachtsfeier und
schweißtreibender Party, die die Band hier kontinuierlich befeuert. Ohnehin sind die Musiker in Bestform: Der ewige Strull steht immer wieder im Rampenlicht und ist mit seinem Bass bevorzugter
Antanzpartner Horns, während Gitarrist Pruntz Phillip Kegelmann von seiner Randposition aus nur an ausgewählten Stellen das ein oder andere feine Solo darbietet. Auch Keyboarder Addi Mollig hält
sich zurück, ist aber immer auf dem Punkt – und Drumer Kikki Pfeiffer, wie üblich in einer Soutane den Takt angebend, ist ohnehin die Verlässlichkeit in Person. Und Sankt Guildo? Gibt mit der
Unterstützung seiner Orthopostel einfach Vollgas und trägt ein Lied nach dem anderen in die Welt.
Dabei erweist sich der Schlagerpapst, der irgendwann entsprechend seiner Mission mit Engelsflügeln (und offenem Hemd) auf dem Rücken in den Saal strahlt, so fit wie schon lange nicht mehr.
Seniorengymnastik, gesteht Horn, der von seinen Jüngern ebenfalls einiges erwartet. Sangeskünste, selbstverständlich, aber auch ein ordentliches Maß an Bewegung. Zumindest mit den Händen. "Erhebt
eure Flügel in den Himmel dieser Kathedrale des Glücks und lasst die Flügelspitzen sprechen", intoniert der Meister der schlagerliebenden Massen. Was denn auch prompt geschieht. Immer wieder, bis
letztlich die Messe gelesen und die Schäfchen entlassen sind. Bis zum nächsten Jahr. Halleluja.
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