Wer kennt es nicht, das Kind mit der Sternenkrone und dem unschuldsschwangeren, neugierigen Blick? Jenen kleinen Prinzen, der Verantwortung für einen winzigen Planeten, drei Vulkane und eine Blume trägt, sich ein Schaf zeichnen lässt und neben einem Fuchs die Herzen von Millionen Lesern gezähmt hat? Antoine de Saint-Exupérys wundervolles Kunstmärchen zählt zu den schönsten Plädoyers für ein wenig mehr Leichtigkeit und Menschlichkeit der neueren Literatur – nun hat das Theater Die Pathologie es in einer Mischung aus Schau- und Puppenspiel auf seine kleine Bühne gebracht. Oder es zumindest versucht. Denn dank fehlender Textsicherheit, ständiger unnötiger Rollenwechsel und einer mitunter undurchsichtigen Regie fehlte dem Stück in weiten Teilen ein zentrales Element: Die Zärtlichkeit.
Zumindest am Premierenabend hatte die Aufführung eher den Charakter einer offenen Probe – oder im besten Fall den einer szenischen Lesung. Nahezu permanent klebten die Blicke der Schauspieler
Maren Pfeiffer und Michael Policnik am Skript, lediglich Martin-Maria Vogel konnte sich weitgehend von selbigem lösen und den Text tatsächlich spielen, statt ihn nur abzulesen. Musste er auch:
Immerhin oblag es ihm in weiten Teilen, der Puppe des kleinen Prinzen Leben einzuhauchen, was ihm mit seiner warmen, weichen Stimme und dezent gesetzten Bewegungen auch ganz gut gelang. Warum
dies allerdings hinter einem nur halbdurchsichtigen Gaze-Vorhang geschehen musste, blieb ebenso ein Rätsel wie die gelegentliche Übernahme der Figur durch Maren Pfeiffer, die die eigentlich
zwingend erforderliche Feinfühligkeit und Zerbrechlichkeit der Hauptfigur durch überbordende Theatralik auszudrücken versuchte. Doch was für die Rollen von Rose, Geografin und Schlange noch
ansatzweise funktionieren mochte, war beim kleinen Prinzen schlichtweg fehl am Platze.
Policnik übernahm derweil, von kurzen Szenen als König und putziger Fuchs sowie dem gelegentlichen Akkordeon-Einsatz abgesehen, die Aufgaben des Erzählers, der nach einer Notlandung in der Sahara
auf den faszinierenden Blondschopf vom anderen Stern traf und sich dessen Geschichte anhörte. Sein charismatischer Duktus wäre allerdings noch besser zur Geltung gekommen, wenn die Zeilen des mit
75 Minuten nicht überlangen Stücks nicht mühselig dem Papier hätten entnommen werden müssen. Erst als sich dies, wie etwa am melancholischen Ende, ausnahmsweise mal als überflüssig erwies, konnte
der Text seine wahre Magie entfalten und das Innerste der Zuschauer berühren. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, lautet eine der zentralen Aussagen des „Kleinen Prinzen“. Stimmt. Aber dann muss
es auch etwas zu sehen geben. In der Pathologie zeichneten sich zwar entsprechende Ansätze ab, vor allem dank des zarten Spiels Martin-Maria Vogels, doch reichte das Gezeigte einfach nicht aus.
Noch nicht. Vielleicht ergibt sich das ja in den kommenden Wochen, vielleicht werden die Mängel behoben, so dass sich die Lesung vollständig zum Theater wandeln kann, statt in diesem seltsamen
halbgaren Schwebezustand zu verharren. Dem Text und dem Haus wäre es zu wünschen.
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