Die gute Nachricht vorweg: Die Schotten mögen uns Deutsche. Zum einen, weil wir keine Engländer sind, zum anderen, weil wir letztere im Zweiten Weltkrieg bombardiert haben. Und wahrscheinlich auch deswegen, weil wir bei Fußball-Welt- und Europameisterschaften gegen die Three Lions nach 1966 regelmäßig die Oberhand behielten. Die daraus resultierende Begeisterung scheint allerdings nicht immer erwidert zu werden, wie jetzt ein Schottenabend im Haus der Springmaus zeigte. Und das, obwohl die Gastgeber Mathias Tretter und Sven Kemmler als leidenschaftliche Kiltträger und Whisky-Connaisseure wirklich alles versuchten, um den Enthusiasmus des Publikums an den mitunter skurrilen Eigenheiten der Highlander zu entfachen. Doch selbst eine Kostprobe dreier Lebenswasser-Destillate brachte nicht den gewünschten Erfolg.
Eine seltsame Stimmung herrschte an diesem Abend: Der Funke wollte einfach nicht überspringen, die Pausen waren eher von Schweigen denn von Gelächter erfüllt, die zahlreichen Anekdoten der beiden
Kabarettisten auf der Bühne liefen ins Leere. Nachvollziehbar war dies nicht so wirklich, zumal Tretter und Kemmler, sofern sie nicht mit verschränkten Armen an ihrem Tisch auf der Bühne hockten,
durchaus unterhaltsam von ihren eigenen Schottland-Besuchen zu berichten wussten, ersterer während eines Lehr-, letzterer während eines Lernjahres. Was in beiden Fällen anders verlief als
gedacht. Tretter erwies sich dank seiner Hitler-Imitationen im „Lernkessel“ und seiner einzig durch die fränkische Herkunft erklärbaren Begeisterung für das Nationalgericht Haggis (ein mit Herz,
Leber und Lunge gefüllter Schafsmagen) schnell als Lieblings-Austauschdozent, während Kemmler im Zuge seines Studiums, das eher von Hörsaal-Abstinenz als von allem anderen geprägt war, zuerst
hochkant aus einer lokalen Punkband flog (was an und für sich schon eine besondere Leistung darstellte) und schließlich von einem schottischen Schäfer und seiner Frau in die hohe Kunst des
Whisky-Trinkens eingeführt wurde. Die ausgeschenkten Tropfen mussten die beiden allerdings fast schon bettelnd unters Volk bringen, obwohl sie doch geschmacklich irgendwo „zwischen einem VW
Diesel und Zartbitterschokolade“ lagen, wie einer der letztlich doch willigen Gäste analysierte. Es hätte also auch schlimmer kommen können.
Die Reminiszenzen an frühere Aufenthalte in Edinburgh respektive Sterling garnierten die zwei Kiltträger mit so manchem literarischen Genuss. Vor allem Kemmlers herrliche Abrechnung mit dem
Vorglühen offenbarte (ebenso wie sein bemerkenswertes Talent für den „scottish accent“) eine fast schon malmsheimerische Sprachgewalt – dass dieser bei dem früheren Programm „Schotten dicht“
mitgewirkt hat, dürfte da kaum überraschen. Die Ode an die Bratwurst und der Gesang an die Weißwurst hätten dagegen nicht zwingend sein müssen, waren aber andererseits im Anschluss an die Analyse
der schottischen Küche, die in der Haute Cuisine das Äquivalent zu „50 Shades of Grey“ ist, zumindest nicht völlig aus der Luft gegriffen. „Ein Vollrausch ist ebenso nahrhaft und weitaus
gesünder, als dort etwas zu essen“, sagte Tretter. Stimmt nicht ganz, wie jeder Schottland-Reisende mit Blick auf frischen Hummer am Hafen von Oban bekennen dürfte – aber zumindest ist der
Ausflug in die dionysischen Gefilde preiswerter. Und schottischer. „Trinken ist in diesem Land immer auch Poesie“, betonte Kemmler denn auch, was schon allein mit Blick auf das immense und
wohldifferenzierte Vokabular über den Zustand der Trunkenheit offenkundig wurde. Klingt klischeehaft, so wie überhaupt der gesamte Abend, ist es aber nur zum Teil. Dafür sind Tretter und Kemmler
Schottland einfach zu sehr verbunden. Und die fehlende Begeisterung? Tja, gute Frage. Vielleicht fehlte es einfach an ein paar mehr Ales und Stouts. Zusätzlich zum Whisky. Nur so als Idee.
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