„Othello“: Tragödie zwischen Muffins und Dramatik

Es muss wieder ein anspruchsvoller Klassiker sein. Darunter macht es die Dauertheatersendung nicht. Das studentische Ensemble hat sich nichts geringeres vorgenommen, als ein Meisterwerk der Weltliteratur nach dem nächsten auf die Bühne zu bringen. Im vergangenen Jahr Goethes „Faust“, jetzt Shakespeares „Othello“. Doch das ambitionierte Projekt (Regie: Xenija Zoller) schlingert bei der Premiere in der Brotfabrik trotz mach starker Schauspieler gewaltig – denn ein unausgegorenes Gesamtkonzept, unfreiwillige, mitunter gar peinliche Komik, ein schwaches Lichtdesign und eine noch schwächere musikalische Untermalung ziehen die dreistündige Handlung immer wieder in die Tiefe.

Dabei bemühen sich gerade die Hauptdarsteller redlich, das metaphorische Schiff auf Kurs zu halten. Stefan Weicht, der kurzfristig als Othello einspringen musste und mit gerade einmal fünf Wochen Vorbereitungszeit eine exzellente Leistung abliefert, erweist sich als umso stärker, je zorniger, brütender und eifersüchtiger seine Figur wird. Die Düsternis steht ihm gut – dass er als Weißer eigentlich für diese spezielle Rolle ein anderes Regie- oder zumindest Kostümkonzept gebraucht hätte, sei dahingestellt. Tobias Gülich gibt derweil dem großen Antagonisten Jago einen fast schon charmant-manipulativen Anstrich, verzichtet auf eine Dämonisierung zugunsten eines höflich nickenden Intrigantentums und generiert auf diese Weise sogar Lacher. Ein Ansatz, der das Publikum allerdings spaltet und die Frage aufwirft, inwieweit Iago überhaupt Humor haben kann, andererseits aber dadurch neue Blickwinkel eröffnet. Stark auch Sebastian Zimmermann als Cassio – Maria Gädeke bleibt als Desdemona hingegen lange Zeit blass, gewinnt aber gegen Ende an Substanz.

Auf der anderen Seite lauert derweil die Groteske. Halbnackte Pool-Boys am Strand von Zypern, eine Muffinschlacht und die akrobatisch wirklich sehenswerte Pole-Dance-Einlage von Agnes Jendrecki erzeugen ja zumindest auffällige Momente, auch wenn sie dabei eher wie Flickwerk denn Elemente einer durchdachten Bildsprache wirken. Weitaus schlimmer sind die Auftritte des tuntigen, in früheren Szenen durchaus unterhaltsamen Montano (Thomas Liessem) und des einfach nur peinlichen Lodovico (Ole Haas) während des blutigen Finales. Im Höhepunkt der Tragödie verbietet sich eigentlich jede Art von humoriger Überzeichnung, um nicht die Katastrophe der Lächerlichkeit preiszugeben. Was aber in dieser Inszenierung leider geschieht. Bitter, ebenso wie die musikalischen Live-Intermezzi, die sich weder in die Handlung einfügen noch – mangels sauberer Intonation und klarem Klang – für Entspannung in den Umbaupausen sorgen. Hier hat die Dauertheatersendung, bei allem Respekt für das Engagement des Ensembles, zu viele Chancen vertan. Aber das ist eben die Gefahr bei großen Klassikern.

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