WDR Kabarettfest: Punktsieg für den Moderator

Gute Kabarettisten wissen, was sich gehört: Sie treten nie nach unten, sondern schießen nach oben, scheuen trotz der zunehmenden Erdoganisierung des Publikums bei zentralen Positionen keinen Shitstorm und verzichten auf das Ausschlachten von Klischees und Vorurteilen. Tobias Mann hat all dies verstanden. Der 40-Jährige hat in den vergangenen vier Jahren eine unglaubliche Entwicklung vollzogen und gehört längst zur Speerspitze des deutschen politischen Kabaretts. Bei dem von ihm moderierten WDR Kabarettfest, das aufgrund des derzeit noch andauernden Umbaus des neuen Pantheons in der Harmonie stattfand, stellte er dies einmal mehr unter Beweis – und stellte sämtliche Gäste dank seiner charmanten Bissigkeit und eines ungeheuer differenzierten Blicks auf die gesellschaftlichen Diskurse mit Leichtigkeit in den Schatten.

Leider war dies auch nicht allzu schwierig, war das Niveau der auftretenden Künstler doch durchwachsen. So erwies sich Nils Heinrich als seltsam schwammig und konturlos: Was genau der Mann mit der seltsam konstruierten Skelett-Gitarre eigentlich sagen wollte, ging in verschwurbelten Sätzen mit bemühten Pointen unter, die zwar mitunter as Schwarze streiften, oft genug aber auch in der Leere des Raumes verpufften. Ob er sich nun über irgendwelche Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit dem Internet ausließ oder in beinahe an Rainald Grebe erinnernder Manier über das harte Los des vom Fernsehen abgehaltenen Vaters klagte, auf den Punkt kam der Wahlberliner, der seit Ende 2013 für WDR2 eine wöchentliche Glosse schreibt, nur am Schluss. Da nämlich trug er einen Beitrag über die durch ihre Mutterschaft zur wilden Bärin mutierten Ehefrau vor, die ihren Gatten in Grund und Boden stampft, was von anwesenden Vätern mit leidvollem Nicken und vielen weiblichen Gästen mit begeistertem Jubel quittiert wurde.

Weitaus klarer, aber noch glossierter und steifer erwies sich Thomas C. Breuer, der 2017 sein 40-jähriges Bühnenjubiläum feiern wird und dessen Duktus, bar jeder (gespielten) Spontaneität und Frische, ebenso geschliffen wie eingeengt war. Letztlich las er Zeile für Zeile ab, nur selten von seinem Skript abweichend, das dafür vor Eloquenz und Wortwitz strotzte. Allein, das reicht nicht aus, wenn der Präsentation der nötige Schwung fehlt. Eigentlich schade, waren die Ideen doch mitunter sehr unterhaltsam, ob sie nun politisch oder gesellschaftskritisch waren.

Von denen war bei Martina Brandl so gut wie nichts zu sehen. Stattdessen platte Dialekt- und Alterswitze aus dem Comedy-Ramschladen und Hip-Hop-Einlagen über die eigene Lendengegend, die zwar rhythmisch extrem gut, inhaltlich aber nicht minder billig wirkten. Wer darüber räsoniert, sich auf den Hintern einen QR-Code zu tätowieren und den von Intimrasuren geprägten Jugendlichen mit dem eigenen Milf-Biber einen Schrecken einjagen will, sucht eben nicht eine intellektuelle Auseinandersetzung, sondern lediglich hormongesteuertes Gejohle. Kann man machen, Künstlerinnen wie Carolin Kebekus haben mit einer ähnlichen Ausrichtung schließlich auch großen Erfolg. Aber nicht alles, was man kann, sollte man auch in die Tat umsetzen.

Bleibt noch Chin Meyer, der wie üblich versuchte, globale Wirtschaftszusammenhänge einigermaßen verständlich zu erklären. Was ihm auch in weiten Teilen gelang: Schnell legte er das Apple-Geschäftsmodell offen, schulte Menschen im Publikum zu Financial Engineers und erfolgreichen Bankräubern um, schuf Triple-Fun-Anleihen und ließ selbst Hartz IV als „steueroptimiertes Burn-Out-Prophylaxe-Stipendium“ gut aussehen. Allerdings gelang es ihm nicht, ein gleichbleibendes Niveau zu halten – als er etwa über Pläne der Türkei sprach, die kriselnde Deutsche Bank zu kaufen, rutschte er genau in jene Falle, die Tobias Mann vermied: Er griff tief in die Kiste mit den ethnischen Klischees, übersetzte Finanzprodukte in Proll-Türkisch und nährte genau jenes Spiel mit Vorurteilen, dem man sich eigentlich verweigern sollte. Schade. Das haben andere schon besser gemacht. Allen voran eben Tobias Mann.

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