In Deutschland war sie eigentlich immer Sissi. Sissi, die hübsche, unschuldig wirkende Märchenkaiserin, die von den Leinwänden strahlte und die Illusion einer besseren Welt erschuf. Mit dieser Rolle gelangte die junge Romy Schneider 1955 zu Weltruhm – und litt Zeit ihres Lebens daran, in ihrer Heimat immer nur auf sie reduziert und für alle Bemühungen um eine Weiterentwicklung geschmäht zu werden. In dem Einpersonenstück „Romy Schneider – Zwei Gesichter einer Frau“, das derzeit im Kleinen Theater Bad Godesberg zu sehen ist, lässt die Österreicherin Chris Pichler nun die legendäre Schauspielerin selbst zu Wort kommen und ihr Leben Revue passieren. Was wirklich eindrucksvoll gelingt.
Backfisch, Wiener Mädel, Prinzessin. Später dann Charakterdarstellerin und Diva, Ausnutzende und Ausgenutzte, am Ende, nach dem Tod ihres Sohnes David, auch trauernde Mutter und zerbrochene
Lichtgestalt. All diese Facetten zeigt Pichler mit viel Gefühl und einer wunderbaren Wandelbarkeit, die nicht viel braucht, nur ein kleines Accessoire sowie eine immer reifer und vielschichtiger
werdende Stimme. Mühelos schlüpft sie in die 15-jährige Romy, die aufgeregt und jubilierend zu den ersten Dreharbeiten fährt, mit einem kindlich-weichen Duktus, der sich auch später immer wieder
kurz Bahn bricht. Doch dann wird dieser überdeckt von all den Erfahrungen, die die ambitionierte, ja gar unerbittliche und sich zugleich nach Halt sehnende Romy macht. Die leidenschaftliche Zeit
mit Alain Delon, der die junge Schauspielerin vergöttert (und die junge Bürgerliche verabscheut), sowie die mit ihrem Umzug nach Frankreich zusammenhängende negative Berichterstattung in der
deutschen Presse hinterlassen Spuren. Ohnehin war das Verhältnis zu den Medien, auf das Pichler denn auch in der von ihr selbst zusammengestellten Textcollage aus Briefen, Tagebuch-Einträgen und
Statements immer wieder zu sprechen kommt, für Romy Schneider immer ein ambivalentes – zum Glück gelingt es Pichler, dieses Bild nicht zu einseitig zu zeichnen. Das Stück ist denn auch mehr als
nur eine Hommage an eine der wenigen ganz großen deutschen Schauspiel-Stars, es ist vielmehr bis zu einem gewissen Teil und soweit möglich ebenfalls eine kritische Auseinandersetzung, zu der
mitunter stolze, fast schon arrogante Aussagen und Wutausbrüche gehören.
So überzeugend Chris Pichler, die mit Gestik und Mimik Romy Schneider unglaublich nahe kommt, auch von Anfang an ist: Den Höhepunkt erreicht sie erst in der verhältnismäßig kurzen zweiten Hälfte.
Kein Wunder, sind hier die Extreme doch am stärksten ausgeprägt, steht dem Blick auf die sich immer selbst zu neuen Höchstleistungen peitschende Romy Schneider auf dem Höhepunkt ihres filmischen
Schaffens Mitte der 70er Jahre („Ohne Rollen kann ich nicht leben“, sagt sie einmal) doch der auf ihren Absturz gegenüber. Der Suizid ihres Exmannes Harry Meyen und der tragische Tod ihres Sohnes
Daniel entlädt sich in einem zunächst lautlosen Schrei – ein unglaublich intensiver Moment, in dem Pichler ihre Romy so verletzlich und so menschlich zeigt wie nie zuvor. Dennoch bewahrt sie
diese selbst in diesem Moment davor, die Haltung zu verlieren; die verlebte, suchtkranke Romy taucht hier nicht auf. So kann denn der Abend nach knapp zwei Stunden (inklusive Pause) letztlich in
Würde zu Ende gehen.
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