bo komplex: Die Düsternis eines Sommertags

Romantik? Hoffnungsvolle, aufblühende Zuneigung? Jugendlicher Idealismus? Nein, dieser typisch Shakespeareschen Themen hat sich die Tanzkompanie bo komplex bei ihrer neuen Choreographie „Shall I compare thee to a summer's day“ konsequent verweigert. Irritierend angesichts des Titels, der auf eines der bekanntesten und häufig auch verklärtesten Gedichte des Bardens von Avon anspielen – aber doch irgendwie auch konsequent, ist doch dessen 400. Todestag der Anlass für das bemerkenswerte Solo, das Tänzer Olaf Reinecke in der Brotfabrik präsentiert. So stehen denn auch eher Herzschmerz, Einsamkeit und Vergänglichkeit im Zentrum des Geschehens, geht es um die Kehrseite der Liebeslyrik, um das Spiegelbild zu jenem Ideal des jungen Mannes, dem ein Großteil der Verse gewidmet sind. Sonett 18 mag den Titel bilden, doch Sonett 81 den Inhalt: Your name from hence immortal life shall have / though I, once gone, to all the world must die.“

Diesem düster-melancholischen Bemühen um dichterische Unsterblichkeit im Angesicht einer endlichen Existenz haben Reinecke und Choreographin Bärbel Stenzenberger versucht, eine Form zu geben. Reinecke, der nach eigener Aussage selbst nicht so genau weiß, wie lange er noch derart kraftraubende Soli tanzen kann, kämpft in dem etwa 70-minütigen Stück permanent gegen innere Dämonen, blutig und schmutzig immer wieder aufstehend und in bester Sisyphus-Manier gewisse Bewegungsabläufe beständig wiederholend oder sich an einem Seil abrackernd. Dieses wiederum findet seine Fortsetzung in der Ewigkeit der Kunst: Lieve Vanderschaeve hat für das Projekt eine Videoinstallation geschaffen, in dem das Globe Theatre als Symbol des shakespeareschen Genies omnipräsent ist – und in das neben besagtem Seil auch Reinecke hineingeschrieben wird. Immer wieder taucht er als Projektion auf, sein reales Ich kopierend und ihm mitunter auch vorweggehend.

Dem klassischen Shakespeare-Bild entspricht die Choreographie letztlich nicht. Eher wirkt sie – auch mittels der kratzigen und von Noise-Elementen geprägten Klang-Kompositionen Philip Roschers – verstörend. Im Vergleich zu früheren Werken von bo komplex ist „Shaa I compare thee to a summer's day“ zweifelsfrei schwer zugänglich, regt dadurch aber auch zum Nachdenken an. Und, nicht zuletzt dank des herausragenden Lichtdesigns von Markus Becker und Florian Hoffmann, zum Staunen. Was Shakespeare dann letztlich doch irgendwie gerecht wird.

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