Element of Crime: Musikalische Rohrschachtests

Unter dem öffentlichen Radar fühlen Element of Crime sich eigentlich am wohlsten. Lieber etwas kleinere Konzerte, dafür aber umso intensiver, lautet das Mantra der Band von Kultautor Sven Regener, die gestern auf dem KunstRasen ihre wunderbar tief- und trübsinnige Songs präsentierten, die Alltagserfahrungen ebenso aufarbeiten wie Einträge in Poesiealben, die zumindest oberflächlich von Lieblingsfarben und -Tieren handeln, von Liebeskummer und Straßenbahnen, von Kaffeegenuss und Kleinstadttristesse. Etwa 2000 Fans waren in die Rheinauen gekommen, um den brillanten Versen mit ihrem mitunter knarzenden doppelten Boden zu lauschen, Verse, die so belanglos wirken und doch so bildhaft sind und die Regener mit der ihm eigenen kantigen, schnodderigen Stimme durch die Gehörgänge direkt ins Herz wuchtete.

Was sie dort auslösten, war für jeden unterschiedlich. Melancholie, Verwunderung, Sehnsucht? Alles möglich. Wer Lesarten fand, durfte sie behalten. Regener überließ ganz bewusst jedem Zuhörer die Deutungshoheit über die Texte – „Ich will keinem vorkauen, wie man die Zeilen zu verstehen hat“, erklärte er erst kürzlich in einem Interview. Und was auch immer bei diesen musikalischen Rohrschachtests herauskam: Es berührte. Und begeisterte.

Den Großteil des gut anderthalbstündigen Auftritts bestimmten Songs aus dem 2014 erschienen Album „Lieblingsfarben und Tiere“, das mit Blick auf die Arrangements der Band eigentlich nichts wirklich Neues zu bieten hatte. Andererseits, wann hat das je eine Rolle gespielt? Element of Crime ist nun einmal Sven Regener, basiert auf der norddeutschen Lyrik, die immer ein wenig spröde wirkt, abgeklärt und fatalistisch, in Wirklichkeit aber von Liebe und Leidenschaft für die Welt übersprudelt. „ Kunst schafft Distanz zur eigenen Existenz und versöhnen einen im besten Fall mit dem Leben“, hat Regener einmal gesagt. In Bonn funktionierte dies auf jeden Fall. Und zwar nahezu mühelos. Getragen von den bewusst unspektakulären Dreiviertelklängen der Kapelle (Jakob Ilja, David Young, Richard Pappik), die Reduktion zur Perfektion erhoben zu haben schienen und all jenen einen Vogel zeigten, die immer wieder neue Ansätze in der Musik fordern, hatte Regener Raum, um sich mit seiner Stimme an den Liedern zu reiben, um so schön zu leiden und so traurig zu lieben wie kaum ein anderer. Bis am Ende, nachdem selbst „Weißes Papier“ besungen wurde, die Erkenntnis stand: „Wenn alles scheißegal ist, macht das Leben wieder Spaß.“ Eine Zeile, die nicht nur im Rahmen des großen Hits „Delmenhorst“ eine gewisse Wahrhaftigkeit besitzt. Allerdings nur in einer Richtung der Kausalität. Denn Spaß hatte das frenetisch jubelnde Publikum auf dem KunstRasen ohne Zweifel – aber nicht etwa, weil ihnen alles egal war. Sondern weil es Element of Crime gibt. Und Sven Regener. 

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