Jan Delay: Party im Matsch

Irgendwer wird immer nass: In den vergangenen fünf Jahren hat es noch keine KunstRasen-Saison gegeben, bei der nicht mindestens ein Künstler auf eine dem Regen tropfende Menge blickte. 2015 und 2013 traf es Zaz, die mit ihrer Leidenschaft und ihrer fetzigen Musik den Wolkenergüssen Kontra gab – und am Samstag versuchte es nun Jan Delay (und vor ihm die bezaubernde „Lieblingsmensch“-Sängerin Namika) mit einer ähnlichen und äußerst erfolgreichen Strategie. Party-Funk und Gute-Laune-HipHop im Matsch.

Funktionierte hervorragend. Pünktlich zu Konzertbeginn stoppte der Regen und sorgte bei den knapp 6500 Fans für eine ausgelassene Stimmung. Zumindest so lange der exzellente Entertainer mit der unverwechselbaren Knödelstimme nicht zu sehr in jene Rocksphären abdriftete, in denen er in etwa genau so überzeugend wirkte wie ein rappender Heino.

 

Nein, rocken kann Jan Delay, ansonsten ein musikalischer Hans Dampf in allen Gassen, wirklich nicht. Riffs aus dem Baukasten und stumpf stampfende Beats bildeten Songs aus dem „Hammer & Michel“-Album, die alleine eher lächerlich als lustig wirken würden. Doch der 40-Jährige verstand es, diese Titel geschickt in jene Musik einzubetten, die anstelle von Blut durch seine Adern zu strömen scheint. Er beschwor herrlich groovend die „Disco No. 1“ und die „Disco No. Bonn“, startete am Bahnhof Soul, ließ die Puppen tanzen, zelebrierte ein paar feine Reggae-Nummern und bereitete so den Boden für den obskuren Rock-n-Roll-Mittelfinger, den er sich bei „Action“ erbat. Warum auch immer. Mehr Klischee ging wahrscheinlich nicht mehr. Andererseits war das Publikum zu diesem Zeitpunkt schon so aufgedreht, dass es sich nicht lange bitten ließ. Was tut man nicht alles für einen charismatischen Star. Zumal „Action“ dann auch tatsächlich hielt, was der Titel versprach. Da ging's ab, um mit Jan Delay zu sprechen, der sich dieser und ähnlicher Phrasen während des Konzerts gerne mal bediente, um der Menge auf den Zahn zu fühlen und gegebenenfalls noch einen solchen zuzulegen. So genügte schon ein einfaches „Ye-haw“, um das Stimmungstief nach dem entsetzlich faden „Hertz 4“ wieder aufzuhellen. „Wo geht die Party ab? Hier geht die Party ab“, schmetterte Jan Delay kurzerhand – und innerhalb von Sekunden hatte er mit dieser Aussage wieder recht.

Aus diesem Grund konnte man dem 40-Jährigen eben vieles verzeihen. Selbst die Potenzierung seines nasalen Gesangs, der mitunter noch unverständlicher als jemals zuvor war und in dem sich das Nuscheln Udo Lindenbergs mit abstrakten Textzeilen a la Herbert Grönemeyer und der stimmlichen Blasiertheit Falcos zu vermischen schien. Was zumindest beim Song „Fick“ besser war als die Alternative. Denn was sagt es über einen vermeintlichen Wortakrobaten aus, wenn dieser auf einmal Zeilen singt wie „yeah, ich nehm ' kleinen Schluck Volvic // und gebe n dreifachen goldenen Vollfick“, die er mit einem verhunzten Rage-against-the-Machine-Sound unterlegen lässt? Schuster, bleib bei denen Leisten. Und Jan, bleib bitte beim „Jonny“. Der erwies sich am Samstag einmal mehr als Retter in der Not. Hüte und sonstige Textilien wirbelten durch die Luft, tausende Hände klatschten im Takt: Der einst als Jan Delays kategorischer Imperativ kategorisierte Hit bildet ein fantastisches Finale eines Konzerts, das vereinzelte Schwächen konsequent überspielte und dem Publikum letztlich genau das gab, was es erwartet hatte. Nach einigen erklatschten und obligatorischen Zugaben waren somit alle restlos glücklich und zufrieden. Und der Matsch? Spielte keine Rolle mehr. 

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