„Kabarais Bâtard“: Zwischen Ritus und Zirkus

Sie reden und tanzen in Zungen: Wirr, konfus und zugleich bedeutungsschwanger bewegen sich die Besessenen der Compagnie Bertha durch das Theater im Ballsaal. Geister in Fleischhüllen, die alle Sprachen beherrschen und doch keine. „Kabarais Bâtard“ lautet der Titel des Stücks von Choreographin Laure Dupont, inspiriert von dem umstrittenen ethnographischen Film „Les Maîtres Fous“ von Jean Rouch, ein mitunter groteskes, überzeichnetes, karnevaleskes Treiben irgendwo zwischen Ritus und Zirkus, in dem kulturelle Identitäten und deren Travestien austauschbar erscheinen. Genau dies macht die Stärke der Tanzdarbietung aus – und ihre Schwäche.

Dupont, die unter anderem bei den CocoonDance-Stücken „Re-Play – The Swan“ und „Revisiting Wonderland“ auf der Bonner Bühne zu sehen war, hat mit ihrem Regie-Debüt ein tänzerisches Kaleidoskop geschaffen, das immer wieder Bilder bricht und verzerrt, nur um diese dann irgendwie aneinanderzureihen. So erweist sich das 90-minütige Stück als ungeheuer vielfältig: Einige Passagen überzeugen durch ihre immense Intensität, andere dagegen wirken nur albern, ein choreographisches Kauderwelsch, dessen Sinn sich nur selten erschließt. Wenn etwa ein Schweizer Journalist mit klischeehaftem Akzent auf ein alkoholkrankes Kung-Fu-Paar trifft, herrscht die Peinlichkeit vor, während unmittelbar im Anschluss ein ekstatisch-kultischer Reanimationstanz mit all seinem aufgeladenen Mystizismus erstaunlicherweise nachvollziehbar wirkt. Stark auch das permanente Spiel mit dfen von Simon Rouby geschaffenen Videosequenzen – an einer Stelle wird sogar der Tänzer selbst zur Projektionsfläche für schwirrende Muster und auf diese Weise zu einer Erscheinung aus einer anderen Welt. Es ist ein Tanz zwischen Wahn  und Sinn, zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Ordnung und Chaos. Exemplarisch steht dafür die immer wieder auftretende Besessene, die, wenn sie nur noch kopfüber an der Decke hängen und ihren Kopf wie eine Eule verdrehen könnte, endgültig zur „Poltergeist“-Reinkarnation werden würde. Sie ist der personifizierte Ritus, das Ergebnis der deutschen, französischen, englischen und italienischen Beschwörungen, einer babylonischen Sprachverwirrung, die die Verständnisschwierigkeiten noch verstärkt. Aber vielleicht soll und kann der Ritus auch gar nicht vollständig durchdrungen werden. Vielleicht muss man sich einfach mal darauf einlassen.

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